Oschmann löst Egner ab: Wie "Bild" ein altes Thema aufwärmt
In der Montagsausgabe liefert "Bild" einmal mehr eine Geschichte der Kategorie "Das empört immer" und holt extra dafür das Thema Jugendwahn aus der Mottenkiste der Kampagnen-Berichterstattung. Gäbe es dafür einen aktuellen Anlass, wäre dies mit viel Verständnis noch gerechtfertigt - doch der fehlt. Kurzerhand oder weil jemand unbedingt mal wieder ins Gespräch kommen wollte, taucht Fritz Egner als Wirt der Geschichte in Deutschlands meistgelesener Zeitung auf.
Fitz Egner? Genau, das ist der Fernsehmoderator, bei dem die Mehrheit der "Bild"-Leser wohl erst durch den Bericht erfahren hat, was er zuletzt moderierte: Mit dem halbstündigen Lückenfüller-Format "WWW - Die witzigsten Werbespots der Welt" machte sich der ehemals gefragte Moderator selbst schon seit einigen Jahren leicht entbehrlich.
Jetzt soll genau dieser Moderator besagtem "Jugendwahn" zum Opfer gefallen sein, glaubt man der "Bild". Man könnte allerdings auch glauben, was Fritz Egner bereits im November letzten Jahres der Tageszeitung „Die Welt" verriet als seine Ablösung durch "Star Search"-Comedian Ingo Oschmann bekannt wurde: Er leide deswegen nicht unter Trennungsschmerzen, da "mittlerweile alles zum Thema Werbung gesagt sei", sagte der Moderator der ebenfalls bei Axel Springer erscheinenden Tageszeitung. Damals hieß es, Egner lebe zur Zeit in Florida, wo er nach eigenen Angaben an neuen Fernsehprojekten arbeitet. Das klang friedlich.
Über ein halbes Jahr später titelt "Bild" am Montag: "SAT.1 schmeißt Fritz Egner (55) raus". Dazu der erste Satz: "Der Jugendwahn im TV hat sein nächstes Opfer gefordert...". Während im November von Seiten Egners kein Groll gegenüber SAT.1 zu hören war und er selber nach eigenen Angaben keine Lust mehr auf das Format hatte, zitiert "Bild" ihn jetzt mit verbitterten Aussagen eines offensichtlich alternden Fernsehmoderators, der noch einmal austeilen will.
Erschreckend an der Geschichte sind zweierlei Dinge: Zunächst die fast ernst gemeinte Sorge, wieso Fritz Egner es nötig hat, mit Monate alten Themen noch einmal durch die Boulevard-Presse zu ziehen. Auf der anderen Seite aber erschreckt die Art und Weise, wie hier der Leser getäuscht wird. Eine Meldung bei "Bild" bedeutet einmal mehr nicht, dass es auch eine Neuigkeit sein muss. Ein sechs Monate altes Thema wird mit Kampagnen-Journalismus der Marke "Wir packen das Reizthema Jugendwahn noch einmal aus" aufgewärmt.
Auch SAT.1 vermeldet heute nochmals offiziell den Moderatorenwechsel bei "WWW - Die Witzigsten Werbespots der Welt" und zitiert Egner erwartungsgemäß mit freundlicheren Worten. Dass der Sender dies trotz des Alters der eigentlichen Neuigkeit nochmals per Pressemitteilung veröffentlicht, ist wenig verwerflich.
Bedenklicher ist es dagegen schon, wenn Nachrichtenagenturen und andere Redaktionen die veraltete Story als Neuigkeit verbreiten. Vielleicht aber öffnet es manchem die Augen, wenn man versteht wie sich "Nachrichten" und "Neuigkeiten" in Deutschland verbreiten - auch wenn die Infos schon über ein halbes Jahr bekannt sind. Im Endeffekt dürfte sich SAT.1 freuen: Die eigentlich belanglose Sendung ist wieder im Gespräch. Ob sich Herr Schawinski schon bei Egner und "Bild" bedankt hat?