Während der Streit um die Vergabe der Lizenzen für Drittanbieter bei Sat.1 in den letzten Jahren regelrecht eskaliert ist, ging bei RTL nach außen hin alles deutlich harmonischer vonstatten. Doch auch hier hatte mit Focus TV einer der unterlegenen Bewerber geklagt. Am Freitag vorletzter Woche folgte dann eine überraschende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg: Es entband RTL vorübergehend von der Verpflichtung der Ausstrahlung der dctp-Programme.
Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass der sofortige Vollzug der dctp-Zulassung trotz der Klagen vom NLM-Direktor angeordnet wurde - der dazu aber gar nicht berechtigt gewesen sei. Vielmehr hätte die Versammlung der NLM, die auch über Auswahl und Zulassung der Drittanbieter entscheidet, diesen Sofortvollzug anordnen müssen. RTL hat nach dem Urteil schnell gehandelt und "Spiegel TV", das Kulturmagazin "10 vor 11" sowie "Stern TV" umgehend aus dem Programm genommen - obwohl Letzteres nur zu einem Teil über die dctp-Lizenz läuft.
Die Niedersächsische Landesmedienanstalt berief daraufhin eilig eine Sondersitzung der NLM-Versammlung ein und gelobte, noch einmal - wie vom Gericht gefordert - "ergebnisoffen" über den Sofortvollzug zu beraten. Dabei ist man zum erwarteten Ergebnis gekommen und ordnet ebendiesen Sofortvollzug wieder an. Damit ist RTL künftig wieder verpflichtet, die dctp-Sendungen auszustrahlen. Ob es allerdings bereits am Mittwoch bei "Stern TV" soweit sein wird, ist noch nicht klar. Wirksam wird die Anordnung nämlich erst, wenn die Entscheidung zugestellt wurde. Dies soll im Laufe dieser Woche geschehen.
Seitens RTL heißt es, dass man diese Zustellung abwarten werde, danach komme man der Anordnung nach, um "rundfunkrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen". Sicher ist damit, dass "10 vor 11", das normalerweise montags gegen 0:30 Uhr zu sehen ist, noch einmal ausfallen wird. Und wie zum Trotz hat RTL in einer Programmänderung kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung für den Mittwoch auch noch einmal "Generation Luxus - Was kostet die Welt?" angekündigt.
"Wir haben über alle Aspekte der OVG Entscheidung ergebnisoffen beraten und dabei die gebotene Interessenabwägung vorgenommen. Am Ende sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass hier insbesondere vor dem Hintergrund des Ziels der Sicherung der Meinungsvielfalt ein besonderes öffentliches Interesses an der weiteren Ausstrahlung des nach wie vor zugelassenen Drittfensterprogramms besteht und dieses Interesse dem Interesse der anderen Bewerber, auch von Focus TV, an einer Aussetzung des Drittfensterprograms vorgeht", erläuterte Ortrud Wendt, Vorsitzende der Versammlung, im Anschluss an die Entscheidung.