Aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg hat man bei RTL schnell Konsequenzen gezogen. Auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de bestätigt RTL-Sprecher Christian Körner am Freitag, dass der Sender ab sofort und bis auf Weiteres die Sendungen "Spiegel TV", "Stern TV" sowie "10 vor 11" aus dem Programm nimmt. Alle drei Sendungen sind über sogenannte Drittanbieter-Lizenzen des Produzenten dctp im RTL-Programm. Doch genau diese Lizenz muss nach dem Urteil aus Lüneburg medienpolitisch noch einmal geklärt werden. Die Zwischenzeit nutzt der Kölner Sender für eine klare Botschaft. „Durch den Beschluss des OVG Niedersachsen sind wir bis auf Weiteres nicht mehr zur Ausstrahlung der Drittsendezeiten der dctp verpflichtet. Aus diesem Grunde werden wir diese Programme absetzen und durch eigene Programme ersetzen", teilt RTL-Sprecher Körner am späten Freitagnachmittag auf Anfrage mit. "Wir sind mit den Regulierungsbehörden im direkten Austausch zum weiteren Vorgehen und werden die genannten Drittsendezeiten selbstverständlich wieder ins Programm nehmen, sobald dies medienrechtlich wieder geboten ist.“

Schon am kommenden Sonntag entfällt deshalb "Spiegel TV". Dafür rückt die Ausstrahlung des Films "Transporter - The Mission" von 23.10 Uhr auf 22 Uhr vor. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch zeigt RTL um 00.30 Uhr nach dem Nachtjournal statt "10 vor 11" die Wiederholung der am Montagabend gezeigten Folge von "Undercover Deutschland". Und am Mittwoch läuft um 22.15 Uhr statt "Stern TV" die Premiere der neuen Reihe "Generation Luxus – Was kostet die Welt?" - einem adaptierten BBC-Format in dem deutsche Teenager im Rahmen eines Experiments dort leben und arbeiten, wo ihre Konsumartikel hergestellt werden. Produziert wurde das Format von Endemol. Aam Sonntag, den 27. Juli, plant RTL auch bereits ohne "Spiegel TV" und zieht den Spielfilm "Mr. & Mrs. Smith" auf 22.25 Uhr vor. Sollte es in der kommenden Woche nicht zu einer Entscheidung der NLM kommen, werde man in der darauffolgenden Woche weiter eigene Ersatzprogramme zeigen.

Ein Formfehler der Medienwächter sorgt für dieses Chaos

Warum all das? Im vergangenen Jahr hatte die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) die Programmplätze für Drittanbieter bei RTL an die Produktionsfirma dctp von Alexander Kluge und AZ Media TV vergeben. Konkurrent Focus TV ist daraufhin zunächst mit einem Eilantrag gegen die Vergabe gescheitert, doch diese Woce gab es die Überraschung: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg urteilte, dass RTL vorerst keine Programme unabhängiger Dritter senden muss. Die Urteilsbegründung: Der Direktor der NLM hatte letztes Jahr den sofortigen Vollzug der dctp-Zulassung angeordnet. Das hätte nach Meinung der Richter aber von der Versammlung, die auch über die Auswahl und Zulassung des Drittanbieters entscheidet, kommen müssen. Ein Formfehler also. Auch ein im Februar 2014 nachträglich gefasster Beschluss wird von den Richtern beanstandet: Aus diesem gehe nicht hervor, dass die Versammlung den Sofortvollzug "eigenständig und ergebnisoffen angeordnet hat".

Jetzt soll die NLM-Versammlung erneut entscheiden, ob die Zulassung von dctp in Kraft treten soll. Bis dahin muss RTL die Sendungen, die über diese Drittanbieter-Lizenz kommen, nicht ausstrahlen. Von dieser Gelegenheit macht man in Köln jetzt Gebrauch. Überraschend ist für viele Zuschauer sicher besonders die Tatsache, dass man damit nach vielen Jahren zum ersten Mal "Stern TV" ausfallen lässt. Dabei läuft die Sendung ohnehin nur zu einem Teil über die Lizenz von dctp. In der seit Jahren bekannten Länge der Sendung am späten Mittwochabend war dies stets ein von RTL selbst gewolltes Programm, das der Sender angesichts zufriedenstellender Quoten auch direkt beauftragen und weiter zeigen könnte. Anders also als bei "Spiegel TV", wo man in Köln seit Jahren beklagt, dass durch die Platzierung dieses Magazins am Sonntagabend kein vernünftiger Audience Flow machbar sei und damit Zuschauer verloren gehen würden.

Alles Taktik: "Stern TV" nicht wirklich gefährdert

Die Zukunft von "Stern TV" erscheint zum jetzigen Zeitpunkt zunächst ungewiss, doch es ist nur eine Taktik des Hauses RTL, um sich demonstrativ gegen das Prinzip der ungeliebten Programmfenster für Drittanbieter zur Wehr zu setzen. Man nutzt die vom Gericht eingeräumte Pause der Sendeverpflichtung möglichst öffentlichkeitswirksam. Weil es eben ums Prinzip der Drittanbieter geht, kann RTL keine Unterscheidung zwischen geliebten und ungeliebten Drittanbieter-Programmen machen - und so trifft es zunächst auch das erfolgreiche "Stern TV". Insbesondere "Spiegel TV" und "10 vor 11" aber müssen zittern und hoffen, dass die NLM einen Formfehler nachträglich möglichst schnell korrigiert - und die Sendungen so ihren Sendeplatz garantiert bekommen. Ist das nachgeholt, gehen alle Sendungen wieder wie gewohnt auf Sendung. Möglicherweise ist also alles nur ein Sturm im Wasserglas.

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