Wie gut, dass die deutsche Nationalmannschaft am Sonntag den WM-Titel errang. Die Freude darüber war beim Sommertreff des ZDF am Montagabend in Berlin das bestimmende Thema und drängte die für den Sender so peinliche Mauschel-Affäre um die Rankingshow "Deutschlands Beste!" zumindest für einige Stunden an den Rand. Doch es ist nur ein kurzes Durchatmen: Die Manipulation der Ranking-Listen, um den Gästen in der Show eine bessere Platzierung zu verschaffen, wird das ZDF noch eine ganze Weile beschäftigen - zumindest soviel ist inzwischen klar.
Am Montag hat sich nun auch der ZDF-Fernsehrat als Kontrollgremium eingeschaltet und angekündigt, den Vorfällen "umfassend und gründlich" nachgehen zu wollen. Der zuständige Programmausschuss Programmdirektion soll dafür der Sommerpause zum Trotz schon bald zu einer Sondersitzung zusammenkommen, kündigt der Fernsehratsvorsitzende Ruprecht Polenz in einem Brief an alle Mitglieder des Fernsehrats an. Dann wird das ZDF eine lange Liste von Fragen beantworten müssen. Wer war für die Konzeption der Sendung verantwortlich, wer hat die Manipulationen veranlasst, wann erhielten die Vorgesetzten Kenntnis, was haben sie daraufhin getan? Und warum fiel die Antwort, wie das Ranking denn nun zustande kam, eigentlich an jedem Tag anders aus?
Der Ausschuss soll zudem eine Empfehlung erarbeiten, wie solche Vorfälle künftig verhindert werden könnten, mit der sich Fernsehrat als Ganzes dann bei seiner nächsten Sitzung dann befassen soll. Bis zu dieser Sitzung sind es allerdings noch über zwei Monate hin, sie ist erst für den 19. September anberaumt. Polenz: "Es geht nicht nur darum, dass gegenüber den dafür Verantwortlichen die
notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Es muss auch verlässlich sichergestellt werden, dass sich solche Vorgänge in Zukunft nicht wiederholen können. Hier ist auch der Fernsehrat gefordert."
Am Freitag hatte Programmdirektor Norbert Himmler bereits angekündigt, dem Fernsehrat "spezifische Regeln für Voting-Shows" vorlegen zu wollen. Und angesichts des "groben Verstoßes gegen die Programmrichtlinien des ZDF" auch die Prüfung "arbeitsrechtlicher Konsequenzen" in Aussicht gestellt. Klar scheint also: Es müssen Köpfe rollen. Da ist es beim ZDF nicht anders als in der Politik: Es wird zur Beruhigung der Massen ein Schuldiger gesucht, der - ob nun berechtigt oder nicht - herhalten muss für das Desaster. Die Frage ist nur: Wer?
Die Luft wird vor allem für ZDF-Unterhaltungschef Oliver Fuchs dünner. Sein Rücktritt wird in immer mehr Kommentaren gefordert. Er kam vor nicht ganz zwei Jahren vom TV-Produzent Eyeworks und ist bei den Mainzern seitdem für den Bereich Show und Unterhaltung verantwortlich, also auch direkt für "Deutschlands Beste". Eine große Hausmacht hat er als relativer Neuling auf dem Lerchenberg ohnehin nicht - und auf viele überzeugende Erfolge seit seinem Amtsantritt kann er auch nicht verweisen. Noch hält man sich in Mainz bedeckt. Mit der gebotenen Eile, aber auch Sorgfalt gehe man den Vorfällen nach und werde nach vollständiger Aufklärung entscheiden, ist von dort zu hören. Doch mit einer Abmahnung eines Redakteurs auf unterer Ebene wird die Diskussion inzwischen nur noch schwer zu beruhigen sein.
Wenn man die hitzige Diskussion, in der das "Handelsblatt" übereifrig sogar schon den Rücktritt von Programmdirektor Himmler gefordert hat, mit etwas Abstand betrachtet, dann wirkt es geradezu grotesk, wie irrelevant das Corpus Delicti eigentlich ist, über das nun so ausdauernd von allen Seiten diskutiert wird. Wäre die Manipulation nicht aufgeflogen, könnte sich vermutlich inzwischen nicht mal mehr Johannes B. Kerner dran erinnern, wer genau in der Top 10 gestanden hat. Und repräsentative Umfrage hin oder her: Welche Aussagekraft soll eine Liste der 50 "besten" Männer oder Frauen haben? Wie will man Christiane Nüslein-Vollhard, Barbara Schöneberger und Angela Merkel in eine sinnvolle Reihenfolge bringen? Die einzige sinnvolle Antwort, die man den Fragestellern von Forsa auf die Frage nach Deutschlands besten Frauen hätte geben können, wäre doch: "Hä? Nach welchen Kriterien denn bitte?" gewesen.
Dass das ebenso niemandem im Vorfeld aufgefallen ist wie die Tatsache, dass man eine repräsentative Umfrage nicht sinnvoll mit einem Internet-Voting - bei dem übrigens laut "SZ" Ina Müller und Gerhard Schröder gewonnen hätten - verknüpfen kann, sollte dem ZDF ganz abgesehen von den Manipulationen ebenfalls zu denken geben.