Nachdem Giovanni di Lorenzo am Sonntagabend in der ARD-Talkshow von Günther Jauch freimütig bekannte, bei der Europawahl gleich zwei Mal seine Stimme abgegeben zu haben, hat der "Zeit"-Chefredakteur nun Rückendeckung durch Jauch erhalten. "Was aus dieser Petitesse entstanden ist, hat mich fassungslos gemacht", schreibt der Moderator am Mittwoch in der "Bild"-Zeitung. "Das war am Sonntag eine interessante politische Diskussion. Übrig bleibt jetzt nur der 'kriminelle Wahlfälscher' aus Hamburg. Das ist für mich so absurd, dazu noch gemein und im Namen angeblicher 'political correctness' einfach nur daneben."
Nach der Sendung habe Finanzminister Schäuble sogar augenzwinkernd angeboten, di Lorenzo bei eventuellen Schwierigkeiten juristisch zu beraten. Jauch: "Menschen fordern di Lorenzos sofortigen Rücktritt als Chefredakteur, vergleichen ihn mit prominenten Steuerhinterziehern oder plädieren ernsthaft dafür, dass er umgehend ins Gefängnis gehöre. Haben wir die Maßstäbe für Schuld oder Unschuld, für Vorsatz oder Fahrlässigkeit, für Wichtiges oder vergleichsweise Nichtiges völlig verloren?" In vielen Onlinemedien sei die Geschichte die meistgeklickte des Tages gewesen. "Glücklich das Land, das nach einer solchen Wahl keine anderen Sorgen hat", so Jauch abschließend.
Tatsächlich handelt es sich bei di Lorenzos Vorgehen keineswegs um ein Kavaliersdelikt, auch wenn er als deutscher und italienischer Staatsbürger seine Wahlunterlagen gleich doppelt zugeschickt bekam. "Wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft", heißt es im Strafgesetzbuch. Auch aus dem Europawahlgesetz geht hervor, dass das Wahlrecht "nur einmal" ausgeübt werden darf. Inzwischen ermittelt daher auch die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den "Zeit"-Chefredakteur.
Di Lorenzo bedauerte sein Vorgehen. "Mir tut das aufrichtig leid", erklärte der Journalist. "Mir war nicht bewusst, dass man bei der Europawahl nicht in zwei Ländern abstimmen darf. Hätte ich es gewusst, hätte ich es nicht getan und natürlich auch nicht in der Sendung von Günther Jauch erzählt." Womöglich hätte es allerdings schon gereicht, vor der Wahl "Zeit Online" zu lesen. Dort erschien nämlich kurz zuvor ein Artikel, der sich ausführlich mit der Frage auseinandersetzte, was eigentlich passiert, wenn ein "übereifriger Wähler" seine Stimme gleich doppelt abgibt. Darin äußerte sich übrigens auch ein Sprecher der italienischen Botschaft zur Möglichkeit der Doppel-Wahl: "Jeder Wähler trägt selbst die Verantwortung: Wenn er redlich ist, wird er seine Stimme wie alle anderen nur einmal abgeben."