"Empfehle Modell WDR-Rundfunkrat." Mit diesen Worten begrüßte die WDR-Rundfunkratsvorsitzende Ruth Hieronymi am Dienstag das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag. Die Richter entschieden, dass der Anteil von Politikern und "staatsnahen Personen" von 44 Prozent in den Gremien von aktuell 44 Prozent auf ein Drittel reduziert werden muss (DWDL.de berichtete). Dass Hieronymi das eigene Modell empfiehlt, kommt da nicht von ungefähr. Die genannte Grenze werde nämlich beim WDR eingehalten, betonte sie.
"Der Einfluss der Politik, Parteien und Regierungen in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist also auch heute schon durchaus unterschiedlich in den jeweiligen Mediengesetzen geregelt", so Hieronymi weiter. Dabei lässt sich natürlich vortrefflich über die Frage streiten, ob die Politik - so wie das Gericht am Dienstag entschied - überhaupt in den Gremien öffentlich-rechtlicher Anstalten vertreten sein muss. Selbst bei den Richtern des Bundesverfassungsgerichts war das allerdings offensichtlich umstritten. Der Begründung des Urteils hängt jedenfalls die abweichende Meinung eines Richters an.
"Dem Urteil kann ich nicht in vollem Umfang zustimmen, soweit es im staatsfreien oder auch nur 'staatsfernen' Zweiten Deutschen Fernsehen die Mitwirkung von Mitgliedern der Exekutive in den Aufsichtsgremien für verfassungsrechtlich zulässig erklärt", so Richter Andreas Paulus, der seinen Standpunkt daran ausführlich erläutert. Seit dem ersten ZDF-Fernsehurteil vor mehr als fünfzig Jahren sei allgemein anerkannt, dass die Staatsfreiheit oder zumindest Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine zentrale Bedingung für seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit darstelle. "Das öffentlich-rechtliche Fernsehen dient nicht der Verbreitung staatlicher Informationen, sondern dem Ausdruck der Vielfalt von Meinungen und der gesellschaftlichen Breite des Sendeangebots."
An dieser Aufgabe müsse sich die innere Ausgestaltung des Fernsehens auch im heutigen Zeitalter messen lassen. "Diesen Grundansatz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts halte ich in Einklang mit dem Urteil auch weiterhin für richtig", so Paulus, dem das Urteil allerdings nicht weit genug geht, weil es seinen eigenen Ansatz nur zum Teil umsetze. Die Drittel-Quote, die staatliche und "staatsnahe" Vertreter umfasse, sei für die Gewährleistung der Vielfalt im ZDF "nicht ausreichend", so die Meinung des Verfassungsrichters. "Vielmehr halte ich eine weitgehende Freiheit der Aufsichtsgremien von Vertretern des Staates für erforderlich." Es gehe darum, die Kontrollorgane des ZDF "von staatlichem Einfluss zu emanzipieren".
Das gelte jedenfalls für die Mitglieder der Exekutive, während die Mitglieder von Parlamenten und Parteien als von der Verfassung vorgesehene Volksvertreter und Vermittler zwischen dem Staat und den Bürgern durchaus in eng begrenzter Zahl Mitglieder im Fernseh- und Verwaltungsrat sein könnten. "Eine konsultative Rolle staatlicher Vertreter ist dadurch nicht ausgeschlossen. Aber das Einbringen politischer Vorstellungen in die Beratungen durch staatliche Entscheidungsträger ist von der Entscheidung über sie zu trennen", so Paulus. Dass die politischen Machtspiele durch die Beschränkung in den Gremien weniger werden, glaubt der Richter letztlich nicht.
In Wirklichkeit seien die Rundfunk- und Fernsehgremien ein "Spielfeld von Medienpolitikern aus den Ländern, die - wie sollten sie auch anders - ihre medienpolitischen Konzepte in Fernseh- und Verwaltungsrat zu verwirklichen suchen", schreibt der Verfassungsrichter und fügt hinzu: "Damit erscheinen sie aber ungeeignet für die Aufsicht über die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit und Meinungsvielfalt durch die Rundfunkanstalten." Die Zusammensetzung der Räte müsse letztlich an dem Ziel orientiert sein, "die Möglichkeit einer politischen Instrumentalisierung weitestgehend auszuschließen". Die Einbindung von Regierungsvertretern erscheine daher nicht erforderlich.
Paulus findet deutliche Worte und spricht von "vagen Vorgaben des Urteils", die insbesondere beim Verwaltungsrat des ZDF "kaum eine wirksame Veränderung" herbeiführten. "Demnach könnten die Landesgesetzgeber lediglich die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrats geringfügig von vierzehn auf achtzehn erhöhen, oder sie könnten bei Erhöhung der Gesamtzahl um ein weiteres Mitglied auf fünfzehn auf ein Mitglied der Landesexekutiven verzichten. Inwieweit die vom Urteil geforderte 'enge Begrenzung' von Exekutivvertretern und die gebotene Vielfalt der staatlichen Vertreter eine weitere Einschränkung von Exekutivvertretern mit sich bringt, spezifiziert das Urteil nicht."
Letztlich gibt der Verfassungsrichter der WDR-Rundfunkratsvorsitzenden recht. Dass eine konsequente Staatsfreiheit nicht impraktikabel sein müsse, zeige etwa der WDR-Rundfunkrat, der "offenbar gut ohne staatliche Mitglieder" auskomme. Das gelte weitgehend auch für den NDR und den SWR. "Beim Westdeutschen Rundfunk haben sich so vier zum Teil überlappende Freundeskreise gebildet, die nicht alle nach parteipolitischen Maßstäben zusammengesetzt sind. Soweit ersichtlich sitzt in keiner ARD-Anstalt außer dem Saarländischen Rundfunk ein Vertreter der Länderexekutive im Verwaltungsrat." Mit dieser Meinung war Richter Paulus am Dienstag in Karlsruhe aber offensichtlich alleine.