Rund einen Monat liegt der Auftritt von Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz mittlerweile zurück. Langweilig ist es dem Moderator seither vermutlich nicht gewesen, denn das alles andere als glücklich verlaufene Gespräch zwischen Lanz und Wagenknecht hat über Tage hinweg die Medien in regelrechte Aufruhr versetzt - auch wegen einer Online-Petition gegen den Moderator, die es inzwischen auf mehr als 230.000 Unterstützer bringt. "Wenn das energische Nachfragen zu rustikal und sogar persönlich war, dann bedauere ich das", erklärte Lanz im Januar in einem Interview mit DWDL.de.
Weiter sagte er: "Mein Fehler. Daraus lerne ich, glaube aber auch, dass Meinung und Haltung in einer Sendung, die den eigenen Namen trägt, wichtig ist." Eine Entschuldigung hat Wagenknecht inzwischen angenommen und gerade erst sogar deutlich gemacht, sich einen erneuten Besuch bei Lanz vorstellen zu können. "Damit ist für mich die Sache abgehakt", so Wagenknecht in der "Welt". Für die "Süddeutsche Zeitung" gilt das offenbar nicht. Unter der Überschrift "Mehr Ärger für Lanz" berichtet sie am Dienstag auf ihrer Medien-Seite über eine vom ZDF-Publikumsrat eingereichte Programmbeschwerde. Der Sender müsse sich mit der Kritik auseinandersetzen, wird Sprecherin Sabine Schiffer zitiert.
"Man hoffe auf eine Rüge", so ist zu lesen. Das Problem an der vermeintlichen Nachricht: Es gibt gar keinen ZDF-Publikumsrat. Viel mehr existiert seit November eine private Internetseite, in der sich Schiffer und eine weitere Person für ein solches Gremium stark machen. Tatsächlich kann jeder Zuschauer eine Programmbeschwerde einreichen. In diesem speziellen Fall erweckt die "Süddeutsche Zeitung" jetzt allerdings den Eindruck, beim ZDF-Publikumsrat handle es sich um ein offizielles Gremium, dessen Beschwerde dem Moderator mehr Ärger einhandle als jede andere. Inzwischen sind auch andere Medien auf die "Süddeutsche Zeitung" reingefallen, wie Medienjournalist Stefan Niggemeier inzwischen im "Bildblog" dokumentierte.
"Wird es jetzt ernst für Markus Lanz?", fragte beispielsweise "Focus Online" und auch Peter Turi stellte bei seinem Branchendienst "turi2" den ZDF-Publikumsrat nicht infrage - zumindest auf Twitter hat Turi den Fehler inzwischen eingestanden, auch wenn dieser auf der Website am Vormittag noch immer nicht korrigiert wurde. Dabei ist schon auf der Internetseite des vermeintlichen "Publikumsrats" zu lesen: "Wie dieser Publikumsrat genau gestaltet und grundgesetzkonform implementiert werden kann, wie er besetzt und mit welchen Befugnissen er ausgestattet sein müsste, und viele weitere Fragen, sollten in einer öffentlichen Debatte geklärt werden." Und so darf sich Sabine Schiffer also bei der "Süddeutschen Zeitung" bedanken, die ihrer Initiative durch den Bericht reichlich Aufmerksamkeit einbrachte.
Die Frau, die hinter dem "ZDF-Publikumsrat" steht, kennt sich allerdings damit aus, Öffentlichkeit herzustellen. Der "Kölner Stadt-Anzeiger" berichtete bereits vor mehr als vier Jahren über Schiffer, die das im Wesentlichen aus ihr bestehende Erlanger "Institut für Medienverantwortung" leitet. Sie verstehe sich demnach als Teil einer "Aufklärungs- und Widerstandsbewegung", die das Ziel verfolge, "die Bevölkerung über die fatalen, zum Teil verdeckt in Politik und Gesellschaft ablaufenden Prozesse aufzuklären, um gegen diese ankämpfen zu können". In der Vergangenheit hat sie beispielsweise Verschwörungstheorien zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 vertreten.
Es folgten Auftritte auf dem Kölner Kirchentag und der Islamkonferenz der Bundesregierung. Später unterstellte Schiffer einem deutschen Polizisten in einem Interview mit dem iranischen Staatssender rassistische Motive und die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte ihre Arbeit über den "Islam in deutschen Medien". "Es ist unwahrscheinlich, dass Sabine Schiffer wegen ihrer inhaltlichen Arbeit so oft auf Podien sitzt, Vorträge hält oder Interviews gibt", so der "Kölner Stadt-Anzeiger" vor vier Jahren. "Aber sie ist 'Institutsleiterin'. Das reicht als Eintrittskarte zu den Medien offenbar aus." Und um in die "SZ" zu kommen, reicht es sogar aus, sich "Publikumsrat" zu nennen.