Das gibt's sonst bei keinem anderen TV-Award: In Baden-Baden tagt die Jury nicht hinter verschlossenen Türen, sondern teilweise öffentlich. Gemeinsam mit dem Festival-Publikum schaut man sich die Filme im Kurhaus an und diskutiert anschließend auf der Bühne darüber. Die oftmals anwesenden Autoren, Produzenten und Redakteure der Wettbewerbsbeiträge sind eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen - und machen in der Regel lebhaft Gebrauch davon.

In diesem Jahr hat die Jury - bestehend aus Journalist Torsten Körner, Regisseur Torsten C. Fischer, Schriftstellerin Julia Franck, Schauspielerin Inka Friedrich und Publizistin Barbara Sichtermann - "Die Frau von früher" (ZDF/arte/3sat) mit dem Hauptpreis ausgezeichnet, dem Fernsehfilmpreis 2013 der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. Das Psychodrama von Regisseur Andreas Kleinert sei "ein beunruhigender Film über die schöne Rivalität von Familie und Fremde", so die Jury.

Gleich doppelt wurde "Operation Zucker“ (BR/WDR) bedacht: Nadja Uhl, die in dem Drama um Kinderhandel und -missbrauch die Kommissarin spielt, erhielt einen Darstellerpreis, Kameramann Morten Søborg den Kamerapreis. Ronald Zehrfeld durfte sich für seine Hauptrolle in "Mord in Eberswalde" (WDR) einen weiteren Darstellerpreis abholen. Der 3sat-Zuschauerpreis ging an das Alzheimer-Drama "Die Auslöschung" (ORF/SWR), der Nachwuchspreis MFG-Star an den Regisseur Axel Ranisch für seinen Film "Ich fühl mich Disco" (ZDF/arte) und der Hans Abich Preis für "besondere Verdienste im Fernsehfilm" an die Produzentin Gabriela Sperl.

Ein erfolgreiches Debüt konnte die neue Festivalleiterin Klaudia Wick in Baden-Baden feiern - nicht nur, weil das Kurhaus bei etlichen Veranstaltungen aus allen Nähten platzte. Die Berliner Journalistin und TV-Kritikerin hat das traditionsreiche FernsehfilmFestival im 25. Jahr seines Bestehens behutsam modernisiert. Um dem Dialog zwischen Machern, Kritikern und Publikum mehr Raum zu geben, hat sie das Programm entschlackt. Statt bisher vier Filmvorführungen pro Tag plus zwei Wortveranstaltungen am Abend gibt es jetzt nur noch einen Abendtermin, die Wettbewerbsfilme können so in etwas lockererer Folge über den Tag laufen.

In den Diskussionen war beispielsweise zu erfahren, dass ProSieben seine Reihe "Kreutzer kommt..." mit Christoph Maria Herbst als kauzigem Kommissar nicht fortsetzen wird - zur großen Enttäuschung von Produzent Andreas Schneppe, aber auch der Baden-Badener Jury, die sich von "Kreutzer kommt... ins Krankenhaus" überwiegend gut unterhalten fühlte. Immerhin ergatterte die Krimikomödie noch den Preis der Studentenjury.

BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz provozierte mit der Frage, ob der klassische Fernsehfilm möglicherweise ein "Auslaufmodell" sei. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland könne sich der horizontalen Erzählweise von internationalen Top-Serien wie "Breaking Bad" oder "Borgen" nicht länger verschließen. "Eine Art Serien-AG" kümmere sich innerhalb der ARD darum, diese Lücke zu schließen. Das bedeute, dass Ressourcen, die in die Entwicklung aufwendiger Serien flössen, in der Einzelstück-Produktion fehlen würden, warf ZDF-Redakteurin Caroline von Senden ein. Auch wenn die Frage nicht abschließend geklärt werden konnte, lohnte sich der Weg nach Baden-Baden allein schon wegen der ungewohnt offenen Diskussionskultur.