Dieter Hildebrandt ist tot. Der Kabarettist, der Millionen Zuschauern mit bissigen Kommentaren zum politischen Geschehen in Deutschland viel Freude machte, ist im Alter von 86 Jahren in München gestorben. Erst kurz zuvor war öffentlich geworden, dass Hildebrandt an Prostatakrebs erkrankt war. Bekannt wurde Hildebrandt einst als Mitbegründer der legendären Münchner Lach- und Schießgesellschaft, aber auch durch Fernsehformate wie "Notizen aus der Provinz" und den "Scheibenwischer", dem er bis ins Jahr 2003 hinein treu blieb - und dessen Veränderungen in Richtung Comedy ihn später so sehr störten, dass Hildebrandt die Verwendung des Namens kurzerhand untersagte. Das war nur möglich, weil er sich die Namensrechte an der Show bereits in den Anfangstagen 1980 sicherte.

Mit den "Zotenkomikern" aus der Comedy-Branche wollte Hildebrandt jedenfalls nie etwas zu tun haben. "Ich möchte nicht nur Späße machen. Ich möchte etwas zur Diskussion stellen. Ich möchte etwas an den Pranger stellen, 100-prozentigen Zorn ablassen dürfen." Und doch ging er auch neue Wege, etwa mit seinem Online-Projekt stoersender.tv, das heute ebenfalls Trauer trägt. Sein Talent entdeckte Hildebrandt im Alter von 14 Jahren - "mitten im Krieg", wie er einmal in einem Interview mit "einestages" sagte. "Innerhalb der Hitlerjugend gab es eine Spielschar, zu der ein Streichquartett sowie Chöre, Volkstanz- und Theatergruppen gehörten. Ich wollte unbedingt Theater spielen. Wir sind sogar auf Tournee gegangen mit unserem Programm. Von da an wusste ich, dass ich komisch bin. Unfreiwillig komisch war ich übrigens auch in der Volkstanzgruppe. Wie ich da an der Hand von einem BDM-Mädel im Kreis rumgesprungen bin!"

"Wir glauben nur das, was wir sehen. Deswegen glauben wir alles, seit es das Fernsehen gibt."
Dieter Hildebrandt

Als er Soldat wurde, seien Spiel, Sport und Volkstanz allerdings erst mal vorbei gewesen. Aber er sei damals zum ersten Mal großen Kabarettisten begegnet. "Wir, die entkommen waren, saßen zu 20.000 in Gardelegen bei Stendal, in einem riesigen Lager. Hier durften die Insassen ein Kabarett eröffnen. Alt gediente Stars traten auf der Wiese auf, rezitierten Sketche aus den 20er Jahren und spielten Theater aus dem Gedächtnis", erinnerte sich Hildebrandt. "Zehntausende hörten zu und sangen gemeinsam den Song mit: 'Und drum tragen wir unser Leiden mit Geduld, an der Scheiße sind wir selbst schuld.' Diese Kabarettisten haben mich sehr beeindruckt, leider kenne ich ihre Namen nicht."

Dieter Hildebrandt stellte sich im Laufe seines Lebens immer wieder Herausforderungen. So trat er etwa 1985 in der DDR auf. "Als ich da stand, vor einem Publikum, das zu einem Drittel uniformiert war, fühlte ich mich sofort an den Zweiten Weltkrieg erinnert", so Hildebrandt gegenüber "einestages". "Ansonsten war es großartig: Diese Kluft zwischen dem Nichtlachen eines Uniformierten und dem übermäßigen Lachen eines Zivilisten, eine einzigartige Spannung." Zu diesem Zeitpunkt feierte er in Deutschland gerade mit dem "Scheibenwischer" großen Erfolg. Warum das so war, habe er selbst nie begriffen. "Ich gab der Sendung exakt ein Jahr, als ich anfing. Vielleicht war es eben die Marktlücke, im Fernsehen Kabarett - und damit Politik zu vermitteln." Über das Fernsehen sagte er einmal: "Wir glauben nur das, was wir sehen. Deswegen glauben wir alles, seit es das Fernsehen gibt."

Doch es gefiel nicht jedem, was Hildebrandt auf der Bühne trieb. Legendär, als sich der Bayerische Rundfunk einmal aus der Sendung ausblendete. "Er hat sich damit bis auf die Knochen blamierte", sagte der Kabarettist später über den damaligen Fernsehdirektor des BR. "Wissen Sie, ich wurde nicht nur dieses eine Mal zensiert - noch öfter bin ich an Verboten vorbeigeschrammt. Das ist auch komisch!" Eine Grenze zog er nur bei Krankheit und Tod. "Schauen Sie sich Müntefering an. In dem Moment, wo dieser Mensch aus der Politik ausscheidet, um seine todkranke Frau zu pflegen, hört mein Spaß auf." Und doch sei der Tod keine Barriere. "Es gibt Späße bis ins Grab hinein. Das gehört dazu zur Satire - der direkte Angriff auf diesen lächerlichen Tod, der uns manchmal antritt, obwohl er doch gar nicht die Berechtigung dazu hat." Nun ist Dieter Hildebrandt tot. Seine spitzen Kommentare werden ganz sicher fehlen.

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