"Nächstes Jahr gibt's dann nur Hähnchen" wirft Super RTL-Sprecherin Sabine Kreft mit einem Augenzwinkern ein als ihr Geschäftsführer Claude Schmit am Dienstagabend beim jährlichen Gänse-Essen bei ihm zuhause die Erwartungen für das Geschäftsjahr 2014 drosselt. Der bevorstehende Start des neuen Disney Channel ist auch an diesem Abend, mit rund einem dutzend eingeladenen Pressevertretern, das dominierende Thema. Einmal mehr erläutert der Kölner Familiensender seine Strategie für den schärferen Wettbewerb im kommenden Jahr und es wird dabei deutlich: Der neue Disney Channel muss jetzt bitte endlich starten. Die Spekulationen darüber, welche Auswirkungen der neue Sender für den dann Markt des Kinderfernsehens hat, ermüden inzwischen alle Beteiligten. Bei Super RTL fühlt man sich für den "Independence Day", wie es Senderchef Claude Schmit nennt, gut gerüstet: Über den 31. Dezember hinaus bleibt Disney zwar als Gesellschafter an Bord, aber im Programm von Super RTL verschwinden dann auch die letzten Disney-Produktionen bevor am 17. Januar der neue Disney Channel startet.



"Der 1. Januar 2014 markiert für uns eine Art Independence Day. Da wir zusätzlichen Investitionsspielraum haben, können wir unsere Vorstellung von modernem Kinderfernsehen noch konsequenter als bislang umsetzen. Die ersten Resultate zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, merkt Geschäftsführer Claude Schmit an. Doch neben gesundem Optimismus zeichnet den gebürtigen Luxemburger auch ein in der Branche nicht oft gehörter Realismus aus: Zuletzt stetig gesteigerte Rekordumsätze und -gewinne werden ab dem kommenden Jahr Vergangenheit sein. Man sei weiterhin höchst profitabel, da ist sich Schmit sicher. Nur weniger als bislang. "Die gute alte Zeit" ist vorbei, wie es auch Programmdirektor Carsten Göttel in einer Präsentation formuliert - die Zeit, in der sich der Kika, Nickelodeon und Super RTL das frei empfangbare Kinderfernsehen in über Jahre unveränderter Rangfolge untereinander aufgeteilt haben.

Auf die neue Wettbewerbsituation stellt sich Super RTL mit einer Drei-Säulen-Strategie auf. Neben umfangreichen Output Deals mit Dreamworks Animation und Warner Bros. stehen neue Eigenproduktionen sowie die zielgerichtete Auswahl internationaler Formate im Fokus. Bereits umgesetzt ist eine Neupositionierung des Vorabendprogramms, wo Disney zuletzt am stärksten präsent war bei Super RTL. Dort setzt der Kölner Sender schon jetzt auf alternative Animationsserien wie die Dreamworks-Serie "Dragons - Die Reiter von Berk" zum Kinofilm "Drachenzähmen leicht gemacht" - der beste Neustart für den Sender seit 2009 - sowie eigenproduzierte Wissensformate, die auf Anhieb bereits das Reichweiten-Niveau der zuvor auf dem 19.45 Uhr-Sendeplatz ausgestrahlten Animationsprogramme erreichen.

Insgesamt konnte sich Super RTL am Vorabend im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozentpunkte auf 20,9 Prozent bei den 3- bis 13-Jährigen verbessern – und das schon komplett ohne Disney-Programm. Senderchef Claude Schmit erklärt dazu: "Wir hatten 18 Monate Zeit, um unseren Independence Day vorzubereiten – und wir haben diese Zeit optimal genutzt. Unser Programm kann sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen." Sein Programmdirektor Carsten Göttel führt das noch detaillierter aus. "Wir haben für 2014 ein abwechslungsreiches Paket geschnürt. Insgesamt werden 1000 neue Episoden on air gehen, darunter Klassiker wie ‚Tom & Jerry‘ oder ‚Scooby-Doo!‘ aus dem Hause Warner sowie die Neuauflage des Kult-Kükens ‚Calimero‘ von Gaumont Animation." Und von Dreamworks Animation kommt mit "Turbo" die Serie zum Kinofilm.

Eine schwierige Herausforderung bleibt die Primetime, für die sich Super RTL erst kürzlich einen neuen OnAir-Auftritt verpasst hat. Hier will der Sender freitags und samstags weiterhin auf Animationsfilme setzen - eine Programmierung, die der neue Disney Channel übrigens kopiert. Mit Filmen wie "Die Legende der Wächter", "Horton hört ein Hu!" oder "Asterix und die Wikinger" sieht sich Super RTL gegen die Disney-Übermacht gerüstet. "2014 werden wir über 100 richtig schöne Filme im Bestand haben, die gute Quoten garantieren", glaubt Carsten Göttel. Von Sonntag bis Donnerstag hat Super RTL die Frauen im Blick: Die Strategie sei schon im Oktober angesichts gestiegener Reichweiten in dieser Zielgruppe aufgegangen - obwohl die US-Hit-Serie "Scandal" für den Sender ein Flop ist. Hoffnungen setzt man in den kommenden Monaten auf Mystery-Serien wie "The Secret Circle" und "Pretty Little Liars" sowie Fortsetzungen von "Once Upon A Time" und "Dallas".

Super RTL macht keinen Hehl daraus, dass die lange Vorbereitungszeit auf den neuen Wettbewerber hilfreich war. Mit Optimismus bei der Programmstrategie und Realismus bei den Marktanteilen blickt man - beinahe ungeduldig mit den Finger trommelnd - dem neuen Disney Channel entgegen. Ein Trumpf habe man noch im Ärmel, da ist sich der Super RTL-Geschäftsführer sicher: Mit der Erfahrung und Kontinuität der Vermarktung durch IP Deutschland könne der Disney Channel mit seiner neu formierten Vermarktungseinheit Disneymedia+ nicht mithalten. Mit Blick auf die lange kollegiale Zusammenarbeit sagt Claude Schmit am Dienstag in Köln dazu: "Disney hat ja schon gute Programme, aber die Vermarktung von Erfolgen wird Ihnen schwerer fallen." Und mit Augenzwinkern spendet man schon mal Trost: Anlaufverluste des neuen Disney Channel könne der US-Konzern ja durch  Einnahmen der lukrativen 50-prozentigen Beteiligung an Super RTL kompensieren. So wird auch am Ende dieses Gans-Essens im Hause Schmit erneut die absurde neue Wettbewerbssituation deutlich.

Mehr zum Thema