Nicht ganz überraschend, aber durchaus verdient ist "Unsere Mütter, unsere Väter" der große Abräumer bei den ersten Auszeichnungen der Deutschen Akademie für Fernsehen. In sieben von insgesamt 20 Kategorien hat der historische Ausnahme-Dreiteiler von ZDF und UFA Fiction gewonnen. Anders gesagt: In keiner einzigen Kategorie, in der "UMUV" nominiert war, übergingen die Akademiemitglieder das Werk.

So wurden am Dienstag Abend in Köln Nina Haun und Sarah Lee für das Casting, Wiebke Kratz fürs Kostümbild, Gerhard Zeiß fürs Maskenbild, Philipp Kadelbach für die Regie, Tom Schilling als bester Hauptdarsteller, Wanja Götz und Sandra Barger für die Stunts sowie Thomas Stammer fürs Szenenbild ausgezeichnet. Weitere Preise gingen u.a. an Judy Winter als beste Hauptdarstellerin in "Mutter muss weg", Katharina Thalbach für die beste Nebenrolle in "Der Minister", Jens Klüber für den Schnitt von "Der Turm" oder Uli Putz, Jakob Claussen und Anja Föringer als beste Produzenten für "Mobbing".



Die rund 500 Mitglieder der Akademie hatten die jeweils Besten aus ihrer Branche in den vergangenen Wochen per Abstimmung gekürt. Knapp drei Jahre nach ihrer Gründung - als Gegenreaktion auf die Abschaffung zahlreicher Werkkategorien beim Deutschen Fernsehpreis - haben die Fernsehschaffenden damit wieder qualitativ herausragende Einzelleistungen ins Blickfeld gerückt. Freilich diskutierten Mitglieder und Gäste auf der Party nach der Preisverleihung eifrig über die Frage, ob nicht eine Kumulation von Auszeichnungen wie für "UMUV" Wasser auf die Mühlen der Fernsehpreis-Logik sei, ein Werk insgesamt auszuzeichnen und alle Mitwirkenden gemeinsam auf die Bühne zu bitten.

Genau das will die Akademie jedoch nicht, um jedem einzelnen Gewerk den verdienten Respekt zu zollen. "Die Abschaffung der Werkkategorien beim Fernsehpreis war eine unzulässige Zurücksetzung vieler Kreativer", sagte die für "Operation Zucker" nominierte Produzentin Gabriela Sperl tagsüber beim Akademie-Symposium vor den Auszeichnungen. "Außergewöhnliche Filme können eben nur entstehen, wenn jeder Mitwirkende an seinem Platz außergewöhnliche Arbeit leistet."

Auch wenn sich die einstigen Kontrahenten inzwischen angenähert haben, der Deutsche Fernsehpreis sogar als Sponsor das Symposium unterstützte und alle Nominierten der Akademie heute Abend zur Fernsehpreis-Gala eingeladen sind, atmeten die Diskussionen einen engagierten Widerstandsgeist. Als roter Faden zog sich die Sorge über immer schlechter werdende Arbeitsbedingungen fast aller TV-Kreativer durch den Tag. Beispielhaft berichtete Szenenbildnerin Annette Lofy, nominiert für "Mutter muss weg", von selbstverständlich gewordenen 100-Stunden-Wochen während Dreharbeiten oder Maskenbildner Jens Bartram ("Baron Münchhausen") von seinem persönlichen finanziellen Risiko: Er hatte 17 Perücken vor endgültiger Auftragserteilung angefertigt, weil sie sonst nicht rechtzeitig fertig geworden wären.

"Wir sind erpressbar aufgrund unserer Leidenschaft. Selbstausbeutung ist Teil unserer Antwort auf prekäre Budgetverhältnisse", brachte es Regisseur Stephan Wagner ("Mord in Eberswalde") auf den Punkt. Gleichzeitig werde es immer schwieriger, Geschichten "abseits des deutschen Geschmackskartells" zu erzählen. Regisseur Rainer Kaufmann ("Operation Zucker") ergänzte ein weiteres Problem des deutschen Fernsehens: "Anders als die US-Kollegen machen wir die Filme mit den größten Budgets für Zwölfjährige, weil die halt theoretisch um 20.15 Uhr noch vorm Fernseher sitzen könnten. Das bedingt eine Art des Erzählens, die sich wie Mehltau auf die Inhalte legt."

Dass insbesondere das Verhältnis zu den Öffentlich-Rechtlichen ambivalent ist, machten Symposium und Preisverleihung deutlich. Einerseits wurde in der Kategorie Redaktion/Producing WDR-Fernsehfilm-Chefin Barbara Buhl (für "Im Netz") ausgezeichnet und von zahlreichen Kreativen als wichtige Ermöglicherin gefeiert. Sie selbst sagte, sie sehe angesichts des Budgetdrucks "eine gewisse Bedrohung für den gesellschaftlich relevanten Fernsehfilm".

Andererseits bekamen ARD und ZDF harte Kritik für die Vernachlässigung des Dokumentarfilms ab. Als etwa Autor Christian von Brockhausen, nominiert für die NDR-Doku "Hudekamp - Ein Heimatfilm", von seinem Mitternachts-Sendeplatz berichtete, platzte es aus Moderatorin und Produzentin Bettina Böttinger (nominiert für "Kölner Treff") heraus: "Es ist eine Schande, dass die Öffentlich-Rechtlichen für so etwas keinen anderen Platz finden. Man kann doch heute davon ausgehen: Sobald ein attraktiver Platz frei wird, ist das nächste Quiz schon da. Wer soll das alles gucken?"

Am Abend führte Schauspieler Burghard Klaußner humorvoll und kurzweilig durch die Preisverleihung, an der knapp 300 Gäste im Kölner Museum Ludwig teilnahmen - darunter auch die Fernsehpreis-Beiräte Verena Kulenkampff (WDR) und Tom Sänger (RTL) sowie die Fernsehpreis-Jury-Chefinnen Christiane Ruff und Klaudia Wick. Mit kompakten zwei Stunden für 20 Kategorien erforderte die Zeremonie deutlich weniger Sitzfleisch als die heute bevorstehende Gala im Coloneum, wie etliche Gäste mit einem Seufzer feststellten.

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