In der vergangenen Nacht waren die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie auch die Bevölkerung verblüfft über das Tempo in dem die Regierung per Ministerialerlass die Sendeanstalt ERT abschalten ließ. Mag der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Griechenland auch durchsetzt sein von Vetternwirtschaft und verschwenderischen Ausgaben - die überstürzte Abschaltung binnen weniger Stunden spart zunächst einmal kein Geld und wird - trotz aller grundsätzlichen Kritik der Griechen an ERT - als massiver Eingriff der Regierung in die Medienvielfalt und -freiheit begriffen.
Gestürmt wurde die Sendezentrale bislang nicht. Die Polizei ist vor den Einrichtungen des ERT weiterhin präsent, doch eingegriffen wird bislang nicht. "Die Staatsanwälte scheinen zu zögern und nicht eingreifen zu wollen bis es einen klaren Befehl aus dem Justizministerium gibt", schrieben die Mitarbeiter von ERT am Mittwochnachmittag über den derzeit wichtigsten Kommunikationskanal Facebook. Dort wie auch hin und wieder via Twitter informieren die, die ihren Arbeitsplatz nicht einfach röumen wollen, über die Lage vor Ort und die organisierten Proteste, Demos und Streiks.
So gibt es in Griechenland einen 24-stündigen Streik an dem sich eine Vielzahl der griechischen Medien aus Solidarität beteiligen wollen. Ob sie das auch tun, ist aus der Ferne schwer zu beurteilen. Am Donnerstag sollen keine Zeitungen erscheinen in Griechenland. Und die Stimmung kocht hoch. In einer Pressemitteilung der Mitarbeiter von ERT3, einem der Kanäle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Griechenland, ist von einer "Demokratie in Trümmern" die Rede. Die am Vorabend abgegebene Erklärung von Regierungssprecher Simos Kedikoglou wird als "verleumderisch und obszön" bezeichnet.
Weiter heißt es: "Wir Mitarbeiter von ERT3 erklären, dass wir unsere Mikrofone nicht abschalten werden. Diese Schritt ist nicht nur ein Akt der Würde und beruflichen Selbstverteidigung gegen staatliche Aggression. Es ist vor allem eine Verpflichtung gegenüber den Bürgern und ihrem Recht auf gutes Programm (...) Es ist Zeit für einen Weckruf. Die Bürger sind bereits auf den Straßen." Befürchtet wird stündlich die Abschaltung des Stroms in der Sendezentrale. Für den Mittwochabend und Donnerstagmorgen sind bereits Protestkundgebungen angekündigt. Auch in europäischen Hauptstädten wurde bereits vergangenen Nacht zu Demos vor den griechischen Botschaften aufgerufen.
Unterstützung bekommen die via Internet-Livestream immer noch sendenden Mitarbeiter des offiziell abgeschalteten ERT von der EBU, dem euröpäischen Verbund der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender. In einem offenen Brief wird die Abschaltung als eine traurige Premiere in der Geschichte europäischen Rundfunks bezeichnet. "Als EBU-Präsident und Generaldirektor bitten wir Sie eindringlich Ihre Möglichkeiten zu nutzen um diese Entscheidung mit sofortiger Wirkung rückgängig zu machen", schreiben Jean-Paul Philippot und Ingrid Deltenre direkt an die griechische Regierung gewandt. Und für alle Sender des Verbundes, auch stellvertretend für ARD und ZDF heißt es weiter: "Unsere Gemeinschaft ist geschockt von den Entwicklungen in Griechenland."
Der duale Rundfunk sei eine Grundsäule der Medienvielfalt in der europäischen Union und insbesondere in Krisenzeiten wichtig. Der Brief endet mit den Worten: "Wir erwarten Ihre Antwort und vertrauen auf Ihr Gespür für Augenmaß." Unterdessen wurde bekannt, dass Ende August der Nachfolger von ERT starten soll. Mit rund 1.000 Mitarbeitern statt der derzeit 2.650 Angestellten von ERT. Das klingt kostensparender aber die grundsätzlich vernünftige Perspektive wird zunächst einmal überschattet durch die unnötig plötzliche Abschaltung, die auch Organisationen wie "Reporter ohne Grenzen" am Mittwoch scharf kritisierten.