Nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass es nicht rechtmäßig war, dass kein einziges türkisches Medium beim NSU-Prozess einen festen Presseplatz erhielt, unternahm das Oberlandesgericht München nun einen zweiten Anlauf. Doch beendet ist damit die Diskussion noch lange nicht, im Gegenteil: Weil man nun die 50 Plätze unter 324 Bewerbern per Losverfahren vergab, gingen unzählige namhafte Medien leer aus - die sich nun ihrerseits benachteiligt fühlen.
Zwar haben nun türkische Zeitungen wie "Hürriyet" oder "Sabah" einen Platz sicher, dafür müssen unter anderem die "FAZ", "Die Zeit", "Die Welt", "Der Tagesspiegel", die "taz", die "Berliner Zeitung" oder auch der "Stern" draußen bleiben. Weil es zwar mehrere "Lostöpfe" gab, aber keine Unterteilung in regionale und überregionale Medien, kamen stattdessen etliche Regionalzeitungen zum Zug. Außerdem sollen nun offenbar die "Brigitte", ein Sender namens Ebru TV, der Lokalradiosender Radio Lotte Weimar oder kabel eins, das seine Nachrichten irgendwo im Nachmittagsprogramm versteckt, für angemessene Berichterstattung sorgen.
"Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass es für die überregional wichtigsten Medien kaum eine Möglichkeit geben soll, über das NSU- Verfahren zu berichten. Die Vergabe der Presseplätze steht in krassem Widerspruch zur immensen bundesweiten und internationalen Bedeutung des Prozesses", so der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken direkt im Anschluss an die Verkündung der Platzvergabe. Er erwarte, dass nun überregionale Zeitungen das Bundesverfassungsgericht anrufen würden.
Tatsächlich kündigte unter anderem bereits die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" an, rechtliche Schritte zu prüfen. Auch "Welt"-Chefredakteur Jan-Eric Peters bezeichnete es als "absurd", dass große überregionale Zeitungen ausgeschlossen würden, während das Anzeigenblatt "Hallo München" einen Sitzplatz bekäme. Man erwäge eine juristische Klärung. Der freie Journalist Martin Lejeune, der im ersten Verfahren noch einen Platz zugeteilt bekommen hatte, diesmal aber leer ausging, kündigte eine Verfassungsbeschwerde an.
Zu retten scheint die Lage eigentlich nur noch dadurch, dass das Oberlandesgericht München doch noch die Übertragung des Prozesses für Journalisten in einen anderen Raum erlaubt. Genau darauf würde wohl eine mögliche Klage der "taz" abzielen, wie deren Chefredakteurin Ines Pohl gegenüber "Spiegel Online" sagte. Bislang hatte das Oberlandesgericht dem aus rechtlichen Bedenken nicht zustimmen wollen.