Bei Pressekonferenzen zu Geschäftszahlen treffen auch unter Journalisten Welten aufeinander. Die Finanzpresse trifft die Branchenpresse - und man kann völlig unterschiedliche Bewertungen der gleichen Zahlen erleben. So auch bei den von der ProSiebenSat.1 Media AG am Donnerstag veröffentlichten Zahlen für das Geschäftsjahr 2012. Da klingt zunächst alles prächtig: Der Konzernumsatz ist um 7,7 Prozent auf 2,969 Mrd. Euro gestiegen und der bereinigte Konzernüberschuss um 34,2 Prozent auf 415,1 Mio Euro. Selbst ohne die Ende 2012 verkauften Aktivitäten in Nordeuropa würden die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr ähnlich stark aussehen. Besonders stark war das Umsatz- und Erlöswachstum im Segment "Digital & Adjacent", also Online-Video, Online-Games, Ventures & Commerce sowie Musik. Brandneu in diesem Bereich ist die Tochtefirma Epic Companies in Berlin, die als Inkubator neue Geschäftsideen unterstützen und entwickeln soll.
Im Segment Content Production & Globale Sales" stieg der Umsatz ebenfalls deutlich, der Erlös aufgrund zahlreicher Investitionen und Übernahmen sank jedoch stark. Konzernschef Ebeling freut sich aber über den "globalen Footprint", den man im Produzentenmarkt mit RedArrow setzen konnte. Diese beiden Geschäftsbereiche trugen im Jahr 2012 immerhin 19 Prozent zum Umsatz des TV-Konzerns bei. 2011 waren es noch 13,3 Prozent. Die Strategie der zunehmenden Unabhängigkeit vom TV-Werbemarkt ist also erkennbar, wenn jedoch auch gleichzeitig damit deutlich wird, wie wichtig immer noch das Kerngeschäft ist.
Im Segment "Broadcasting german-speaking" blieb der Umsatz stabil. 1,91 Mrd. Euro im Jahr 2012 stehen 1,9 Mrd. Euro im Jahr 2011 gegenüber. Dass es im vergangenen Jahr überhaupt einem Wachstum in diesem Segment kam, ist den steigenden Erlösen durch die Distribution der HD-Sender zu verdanken. Erstmals überstiegen 2012 bei der ProSiebenSat.1 Media AG die Distributionserlöse die Distributionskosten. Der TV-Werbemarkt 2012 wuchs zwar auch leicht, aber mit Verzögerung macht sich da die sinkende TV-Reichweite der ProSiebenSat.1 bemerkbar. Erreichten ProSieben, Sat.1, kabel eins und Sixx 2011 noch zusammen 28,9 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen, waren es im vergangenen Jahr 27,8 Prozent und in den ersten beiden Monaten des Jahres 2013 sogar unter 26,5 Prozent. Damit ist auch Ebeling wenig überraschend "nicht zufrieden". Die Gründe dafür liegen in den Programmen der Sender, also im Kern des Kerngeschäfts sozusagen. Das ist nur bedingt das Metier der Finanzjournalisten. Mit dem Fokus auf die vorgelegten Finanzzahlen sieht alles gut aus. Mit dem Fokus auf die Sendungen der Sender, auf das Programm selbst, jedoch nicht so sehr.
"2012 war ein weiteres Rekordjahr für die ProSiebenSat.1 Group", sagt ProSiebenSat.1-Vorstandschef Thomas Ebeling zusammenfassend über die vorgelegten Zahlen. "Wir haben unsere Expansion die digitale Welt erfolgreich fortgesetzt und den Umsatz in unserem Segment 'Digital & Adjacent' um fast 40 Prozent gesteigert. In unserem Kerngeschäft Free-TV haben wir ebenfalls wichtige Ziele erreicht: Wir konnten unsere Distributionserlöse deutlich steigern und haben in Deutschland und Österreich erfolgreich neue Free-TV-Sender gegründet." Doch weder haben die Free-TV-Sender den Marktanteilsverlust der Gruppe aufgefangen, noch können die Distributionserlöse die immer noch große Abhängigkeit vom Werbemarkt kompensieren. Ebeling sieht den Konzern hervorragend für die Zukunft aufgestellt. Das ist richtig, nur muss entweder das Wachstumstempo neuer Geschäftsmodelle deutlich zulegen oder der Marktanteilsschwund im Kerngeschäft gestoppt werden. Das weiß auch Ebeling.
Immerhin werden die Aktionäre erst einmal glücklich sein mit den heutigen Neuigkeiten aus Unterföhring. Wenn das Nordeuropa-Geschäft wie geplant an Discovery verkauft werden kann, will der Konzern einen Teil des Erlöses ausschütten und der Hauptversammlung eine Dividende in Höhe von 5,65 Euro je Vorzugsaktie und 5,63 Euro je Stammaktie vorschlagen. Das wäre deutlich mehr als die 1,17 Euro bzw. 1,15 Euro im vergangenen Jahr. Der Rest soll zur Teil-Rückführung fälliger Darlehensverbindlichkeiten genutzt werden - und "in den laufenden Geschäftsbetrieb" investiert werden. Das ist angesichts der heute vorgelegten Zahlen mit Sicherheit dringend nötig. Auf Dauer niedrigere Reichweiten kann sich der TV-Konzern noch nicht leisten. Ebelings Vision ist ein "digitales Entertainment & E-Commerce Powerhouse". Und er hat durchaus Recht, wenn er sagt, dass "die Weichen für nachhaltiges und langfristiges Wachstum der Gruppe gestellt" sind. Nur muss der Zug jetzt auch losfahren.