Die Fernsehnutzung hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Gerade jüngere Zuschauer sitzen inzwischen längst nicht mehr nur noch passiv vor dem Fernseher - der sogenannt Second Screen hat an Bedeutung gewonnen. Will heißen: Facebook und Twitter spielen während des TV-Konsums eine größere Rolle. Dementsprechend relevant ist also das Thema "TV meets Digital Natives", das am Mittwoch bei den Medientagen München debattiert wurde. Die Frage, ob darin mehr Chancen als Risiken liegen, blieb allerdings weitgehend unbeantwortet. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer aber darin, dass sich die Anbieter umstellen müssen, um auch weiterhin den Bedürfnissen ihrer Zuschauer entgegenzukommen.
Zweifel am eigenen Medium? Nein, dafür war kein Platz. Und so wollte daher auch keiner das Fernsehen für tot erklären. "Das Fernsehen wird das Leitmedium bleiben", sagte Markan Karajica, Vorsitzender der Geschäftsführung bei ProSiebenSat.1 Digital. Die parallele Existenz werde allerdings weitergehen. Vom Tempo dieser Entwicklung wurde aber auch er überrascht. "Vor drei Jahren wussten wir nicht, dass die Parallelnutzung so stark sein würde wie sie heute ist. Man muss andere angebote machen." Es reiche inzwischen nicht mehr, einfach nur Clips anzubieten und diese ins Internet zu stellen. Doch insbesondere Sport-Events werden nach wie vor im Fernsehen für hohe Zuschauerzahlen sorgen. "Der Fernsehgenuss wird vor dem großen Flatscreen immer etwas anderes sein als auf dem kleinen Smartphone-Display", so Karajica.
Er zeigte sich davon überzeugt, dass es noch viele zusätzliche Möglichkeiten geben wird. Als Beispiel nannte er die gerade erst erfolgreich in die zweite Staffel gestartete Castingshow "The Voice of Germany". "Der Ansatz ist, daraus ein 24/7-Format zu machen." Und dieser Plan scheint tatsächlich aufzugehen: Im Social Media ist die Show ein Erfolg, zudem schafften es zahlreiche Talente während der ersten Staffel in die iTunes-Charts. Auch bei Sky hat man sich inzwischen auf die veränderte Fernsehnutzung des Publikums eingestellt. Mit Blick auf die im Vorfeld der Diskussion gewagten Zukunftsaussichten sagte der Sky-Programmchef: "Es passiert alles schon jetzt." Vor allem bei jüngeren Zuschauern hätten fudamentale Veränderungen stattgefunden.
Durch HBO-Serien, die man kurz nach der US-Ausstrahlung zeigt, und den Abrufangeboten will Sky auf diesen Trend auch künftig verstärkt reagieren. Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen hat man die Zeichen inzwischen erkannt und etwa bei den Olympischen Spielen ein breites Online-Angebot an den Start gebracht, wenngleich nicht alles immer reibungslos geklappt hat. "Wir sind bei Olympia technisch an die Grenzen gekommen", sagte Andreas Bönte, der beim BR den Programmbereich Planung und Entwicklung leitet. Das veränderte Nutzerverhalten führe allerdings schon jetzt zu einem "alltäglichen Umdenken", so Bönte, der sich der Meinung von ProSiebenSat.1-Mann Markan Karajica anschloss. "Das Fernsehen verliert nicht an Relevanz. Es geht schlicht und ergreifend um den Content."
Die eigentliche Content-Revolution stehe aber erst noch bevor. "Es ist wie zu Beginn der Autoindustrie", betonte Bönte. "Das erste Auto, das gebaut wurde, sah aus wie Pferdekutschen ohne Pferde." So verhalte es sich derzeit auch bei den neuen Möglichkeiten, die das Fernsehen bietet. Den Öffentlich-Rechtlichen seien aber auch Grenzen gesetzt, weil man einen Grundversorgungsauftrag habe. "Wir dürfen die Relevanz der Nachrichten nicht vergessen, sonst verlieren wir eine wichtige Leuchtturmfunktion. Man könne nicht einfach jeden Abend "Pfarrer Braun", Comedy oder den "Tatort" senden. "Dann hätten wir auch schnell höhere Quoten", sagte Bönte - und meinte damit vermutlich Das Erste. Zumindest in den Dritten ist schließlich schon jetzt fast immer irgendwo ein "Tatort" im Programm.