"Diese Marktsituation bedroht die Existenz vieler unabhängiger Produktionsunternehmen und Produktionsdienstleister. Damit wird die Vielfalt und Qualität der deutschen Produktionslandschaft ernsthaft gefährdet", mahnt Gerhard Schmidt, seit 48 Jahren im Produzentengeschäft tätig, Geschäftsführer der Gemini Film und Vorsitzender des Film & Fernsehproduzentenverbandes NRW. Gemeinsam mit drei weiteren Verbänden unabhängiger Produzenten wurde ein Verhaltenskodex für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender entwickelt - der für mehr Transparenz und fairen Wettbewerb sorgen soll. Schmidt sieht es als Gesprächsangebot an die Sender wie auch Medienpolitik, deren Interesse ebenfalls eine vielfältiger und unabhängiger Produzentenmarkt sein müsste.

Die vier federführenden Verbände beklagen immer häufiger undurchsichtige Vergabe-Verfahren bei Auftragsproduktionen besonders im Bereich Fiktion aber auch der Unterhaltung und oftmals gar nicht offen veranstaltete Wettbewerbe um die besten Ideen. Öffentlich-rechtliche Produktionstöchter würden am Ende über die Maßen bevorzugt. Die unabhängigen Produzentenverbände kritisieren darüber hinaus, dass das Netz sendereigener Unternehmen immer weiter ausgebaut wird. Es stelle sich überhaupt die Frage, ob die TV-Produktion in diesem Ausmaß überhaupt Kern der öffentlich-rechtlichen Aufgabe ist, wirft Schmidt - der am Sonntag auch Gast im "Studio D" ist und über die Problematik spricht - bei dem Thema ein.

In jedem Fall aber müsste es gleiche Bedingungen für alle geben, was alleine schon deswegen erforderlich sei, weil es um die Verwendung öffentlicher Mittel geht. Mit dem Verhaltenskodex sollen die Anforderungen der EU und des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags zur Marktkonformität der öffentlich-rechtlichen Produktionstöchter gewährleistet und die Basis für einen wettbewerbsfähigen unabhängigen Produktionssektor geschaffen werden. Der Verhaltenskodex orientiert sich dabei an dem in Großbritannien bewährten "Code of Practice" der BBC und wurde an die hiesigen Strukturen und Gegebenheiten angepasst. Für die vier unabhängigen Produzentenverbände erklärte Gerhard Schmidt: "Der Kodex soll die Zusammenarbeit der öffentlich-rechtlichen Anstalten mit eigenen Tochtergesellschaften und unabhängigen Produktionsunternehmen neu und verbindlich regeln."

Ziel sei es, gemeinsam mit den Sendern eine transparente, faire und die Wettbewerbsgleichheit fördernde Basis für künftige Auftragsvergaben zu schaffen. Thomas Frickel, Vorsitzender der AG Dokumentarfilm, erinnert in diesem Zusammenhang an „die peinliche Kette skandalumwitterter Auftragsvergaben und Bestechungsfälle im Bereich öffentlich-rechtlicher Sender“ – die Forderung nach mehr Transparenz sei auch vor diesem Hintergrund dringend geboten. Der Verhaltenskodex beinhaltet aber auch Modalitäten der Programmauswahl und einen verbindlichen Zeitplan für die Verhandlungen hin bis zur endgültigen Auftragsvergabe, um einen klaren Auftragsprozess zu gewährleisten. Darüber hinaus enthält er Regelungsvorschläge zur Projektentwicklung, eine Definition der im Produktionsfall erworbenen Rechte, deren Vergütung, Dauer und Exklusivität sowie inhaltliche, kaufmännische und organisatorische Vorkehrungen, die für die Prüfung, Überwachung und Gewährleistung der Einhaltung des Verhaltenskodex notwendig sind.

Die dabei erhobenen Forderungen beinhalten zum Teil Eckdaten, über die bereits vor zwei Jahren zwischen der ARD und der AG DOK prinzipiell Einvernehmen erzielt wurde, die von der ARD jedoch bis heute nicht umgesetzt werden. Die unabhängigen Produzentenverbände fordern die Medienpolitiker zugleich dazu auf, sich für flankierende Maßnahmen einzusetzen. So sollten die öffentlich-rechtlichen Sender jährlich einen Vergabebericht vorlegen, der genau auflistet, welche Aufträge an welche Firmen vergeben wurden und wie hoch die dafür aufgewendeten Mittel waren. Solche und ähnliche Transparenzanforderungen seien im skandinavischen Raum, aber auch in Frankreich schon lange selbstverständlich. Ferner sollten die öffentlich-rechtlichen Sender die Auftragsvergabe an direkt oder indirekt verbundene Unternehmen perspektivisch auf ein Maximum von 10 Prozent der von ihnen in den einzelnen Programmgenres in Auftrag gegebenen Produktionen begrenzen.

Die mit den Sendern direkt oder indirekt verbundenen Unternehmen, entsprechend der Praxis der europäischen Filmförderung, sollten nach Auffassung der vier Produzentenverbände auf zusätzliche Fördergelder aus regionaler und Bundesfilmförderung verzichten. Und die KEF stärker als bisher über die tatsächliche Verwendung der von den Sendern beantragten finanziellen Mittel für Auftragsproduktionen wachen und die Öffentlichkeit in regelmäßigen Abständen über die Ergebnisse dieser Arbeit informieren. Der gesamte Verhaltenskodex soll im Laufe des Wochenendes auf den Websiten der vier Verbände abrufbar sein, also auf www.agdok.de, www.film-nrw.de, www.filmproduzentenverband.de und www.vffv.de. Am Sonntag ist Gerhard Schmidt zu dem Thema auch Gast im "Studio D", dem WebTV-Magazin von DWDL.de für Branchenthemen.