Bei ProSiebenSat.1 ist man nach wie vor unzufrieden mit der Entscheidung des Bundeskartellamts bezüglich des Starts einer gemeinsamen senderoffenen Video-Plattform mit RTL - auch im Hinblick auf die Arbeiten von ARD und ZDF an deren Plattform "Germany's Gold". "Wir könnten es nicht nachhvollziehen, wenn eine Videoplattform wie die geplante von ARD und ZDF durchgewinkt wird, während das Kartellamt ein von uns und RTL gemeinsam geplantes, senderoffenes Videoportal abgelehnt hat", kritisierte ProSiebenSat.1-Digitalvorstand Christian Wegner nun in einem Interview mit "werben & verkaufen". 

"Wir verstehen nicht, wie das Kartellamt den Markt definiert. Schließlich wird das Internet längst in erster Linie von US-Firmen dominiert." Die Chancen auf den Start der gemeinsamen Plattform Amazonas von RTL und ProSiebenSat.1 - gerne als "deutsches Hulu" bezeichnet - sind nun jedenfalls noch einmal gesunken. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht schloss sich am Mittwoch der Meinung des Bundeskartellamts an, das dem Vorhaben bereits im vergangenen Jahr einen Strich durch die Rechnung machte.

 

Das Kartellamt hatte damals eine "rein technische Plattform" gefordert, zu der nicht nur Fernsehsender Zugang hätten haben sollen. Auch einschränkende Vorgaben etwa zur Qualität der Angebote hätte es aus Sicht der Kartellwächter nicht geben dürfen. Wären die Sender darauf allerdings eingegangen, hätte das Angebot mit der ursprünglichen Idee, eine gemeinsame Plattform für den zeitversetzten Abruf von TV-Inhalten anzubieten, nur noch wenig zu tun gehabt. Die Mediengruppe RTL sprach damals von einer geforderten "Erweiterung ins Unendliche". Das endgültige Urteil der Düsseldorfer Richter wird für den 20. Juni erwartet, dürfte aber negativ ausfallen.

ProSiebenSat.1-Digitalvorstand Christian Wegner glaubt indes aber auch an die Zukunft des klassischen Fernsehens. "Wir sind von der Kraft des linearen Fernsehens in der digitalen Zukunft fest überzeugt, wachsen derzeit aber auch stark in anderen Bereichen, etwa der Produktion und dem digitalen Geschäft", sagte er im "w&v"-Interview. Ziel von ProSiebenSat.1 sei es, möglichst synergetisch zum TV neue Geschäftsfelder zu erschließen, die das Unternehmen vom klassischen Werbemarkt unabhängig machen. Die Digitalgeschäfte sollen im Jahr 2015 rund 400 Millionen Euro einbringen.

Zunehmend wichtig wird dabei die Games-Sparte. "Sie ist neben Video und dem Ventures-Geschäft einer der größten Wachstumstreiber." Weiter sagte Wegner: "Unser Anspruch ist es, einer der führenden Player in Europa zu werden. Deshalb werden wir zusätzlich zu den bereits 60 Games-Mitarbeitern rund 100 weitere in diesem Jahr im Bereich Digital & Adjacent einstellen, einen Großteil davon im Games-Bereich." Doch auch sonst gibt es viel Personalbewegung bei ProSiebenSat.1. Er sei ein großer Fan von Job-Rotation, betonte Wegner und nannte als Beispiel Markan Karajica, der als Marketingleiter von TV Deutschland in die Digitaleinheit wechsle.

"ProSiebenSat.1 wandelt sich gerade vom reinen TV-Konzern zu einem Powerhouse für TV und digitale Unterhaltung. Alle Einheiten müssen diesen Transformationsprozess durchlaufen, und das funktioniert am besten über die Job-Rotation. Ich selbst habe schon in der Produktion, in Vertrieb und Strategie sowie bei TV gearbeitet. Das schafft enorme Kenntnis und Verständnis für die anderen Bereiche und wird langfristig unser größter Wettbewerbsvorteil sein: Wir haben Kompetenz in Online und TV", so ProSiebenSat.1-Digitalvorstand Christian Wegner über die Strategie seines Unternehmens.