Mitte April geht in Sat.1 eine Ära zu Ende: "Richterin Barbara Salesch" verabschiedet sich in den Ruhestand und macht Platz für die neue Scripted Reality-Reihe "Familien-Fälle", mit der der Sender sicherlich ein Stück vom Erfolg quotenstarker RTL-Formate wie "Verdachtsfälle" oder "Familien im Brennpunkt" für sich in Anspruch nehmen möchte - alle drei Formate stammen übrigens von der Produktionsfirma Filmpool. Ungelegen kommt der Salesch-Abschied keineswegs, denn die klassischen Gerichtsshows sind inzwischen vor allem bei jüngeren Zuschauern nur noch bedingt gefragt.
Zuletzt lagen Salesch und ihr Richter-Kollege Alexander Hold in Sat.1 vermehrt unterhalb des Senderschnitts, auch wenn die Gesamtzahlen dank vieler älterer Zuschauer nach wie vor überzeugend sind. Und doch scheint es so, als wolle nun auch Sat.1 allmählich seine Gerichtssäle schließen. Seit Montag testet der Sender auf dem Hold-Sendeplatz um 16:00 Uhr eine neue Scripted Reality durch die Hintertür. Unter dem Label "Richter Alexander Hold - Spezial" tritt der Richter zwar zu Beginn kurz in Erscheinung - allerdings nur, um den nun folgenden Fall anzusagen.
Danach beginnt mit "Geheimnisse - Leben mit der Lüge" ein Format, das mit der Gerichtsshow überhaupt nichts mehr am Hut hat und stattdessen den populären Nachmittags-Formaten von RTL gleicht. Als Produzent dient Constantin Entertainment, das auch für die Hold-Show verantwortlich zeichnet. Gezeigt werden in dieser Woche Geschichten vor, die davon handeln, dass betroffene Personen ihre Familie hintergehen, belügen oder gar dauerhaft betrügen - natürlich von Laienschauspielern verkörpert. In der Folge vom Montag stand ein Bigamist im Mittelpunkt, am Dienstag ging es um eine schwangere 15-Jährige. Erst am Ende der Folgen darf Richter Hold wieder einen kurzen Kommentar abgebe, ehe bereits der Abspann folgt.
Die Vorgehensweise gleicht jener, die Sat.1 schon einmal Ende Oktober vergangenen Jahres im Rahmen von "Richterin Barbara Salesch" getestet hatte. Auch damals versuchte der Sender, fünf Folgen lang ein neues Format unter dem Salesch-Label zu testen - übrigens mit durchaus ordentlichen Quoten. Auch im Falle von "Geheimnisse - Leben mit der Lüge" kann man zufrieden sein: Mit 2,26 Millionen Zuschauern verzeichnete das "Hold - Spezial" zu Wochenbeginn einen gewohnt starken Marktanteil von 20,8 Prozent beim Gesamtpublikum, in der Zielgruppe sah es mit 11,4 Prozent zumindest ordentlich aus. Am Dienstag verzeichnete die Sendung 12,2 Prozent und damit immerhin den besten Wert seit zwei Wochen.
Doch was bedeutet das für die Zukunft des Formats? "Die Sendung 'Richter Alexander Hold' zählt seit über zehn Jahren zu den festen Größen im Nachmittagsprogramm von Sat.1. Mit der Pilotwoche 'Spezial: Geheimnisse' setzen wir unseren beliebten TV-Richter außerhalb des Gerichtssaales ein und nutzen seine moralisch-juristische Kompetenz, um spannende Gerichtsfälle jenseits des üblichen Settings zu erzählen", heißt es von Seiten des Senders auf DWDL.de-Anfrage. Ein klares Bekenntnis zur Gerichtsshow im bisherigen Sinne klingt anders. Sicher ist: Bei Sat.1 setzt man sich momentan offensichtlich mit dem Gedanken auseinander, wie eine Zukunft des Nachmittagsprogramms abseits der in die Jahre gekommenen Gerichtsshows aussehen kann.
Dabei wird es wohl nicht zuletzt darauf ankommen, wie sich "Familien-Fälle" als Nachfolge-Format auf dem Salesch-Sendeplatz schlagen wird. Sollte die Scripted Reality erfolgreicher sein als die Richterin, könnte es auch für Alexander Hold eng werden. Es werden also gewiss spannende Monate für Sat.1 - einen ersten Hinweis darauf, in welche Richtung sich der momentan schwächelnde Nachmittag entwickeln wird, könnte es schon Mitte April geben. Dann wird sich erstmals zeigen, ob es auch komplett ohne Gerichtsshows gehen könnte. Inwiefern Scripted Realitys nach bekanntem Muster eine bessere Alternative darstellen, steht allerdings auf einem anderen Blatt.