Während sich Nutzer früher vor allem die Frage stellten, ob sie denn nun Fernseh schauen, Radio hören oder Zeitung lesen wollen, entscheiden sich heute viele in erster Linie nicht für ein bestimmtes Medium, sondern für einen bestimmten Inhalt. Schließlich liefert heute etwa das Internet jederzeit Texte, Audio- und Video-Angebote im Überfluss. Mit dieser Erkenntnis leitete Martin Stenberg, der für den verhinderten Yahoo Deutschland-Chef Heiko Genzlinger zur Eröffnung der diesjährigen TV Komm sprach, die Gipfel-Veranstaltung ein.

 

 

Das Fernsehen wandle sich darüber hinaus immer mehr zu einem Medium, dass nicht mehr exklusiv, sondern in Kombination mit mindestens einem weiteren Medium genutzt werde. So sei es inzwischen durchaus üblich, dass der Fernseher im Hintergrund läuft, während die Zuschauer gleichzeitig auf dem Smartphone via Facebook verfolgen, was die Freunde machen. Daraus resultierte dann die Überlegung, ob TV-Sender nicht ihr bisheriges Kerngeschäft - also das lineare Anbieten von Inhalte - zugunsten von interaktiven Angeboten zurückfahren sollten.

Eine Idee, die bei den anwesenden Fernseh-Vertretern auf wenig Gegenliebe stieß. So betonte Nicole Agudo Berbel von Discovery, dass das lineare Programm weiterhin Hauptsäule des Geschäftsmodells bleiben werde. Dennoch erreiche man zum Beispiel beim Männersender DMAX eine Zielgruppe, die besonders technikaffin und jung ist und somit auch Innovationen vom Sender erwartet. Deswegen sei man mit DMAX schon sehr schnell auf vielen unterschiedlichen Plattformen vertreten gewesen und suche auch unermüdlich nach neuen Plattformen zur Verbreitung. Ab 5. März würden deswegen Discovery-Dokumentationen etwa auch in das Portfolio von Sky Anytime aufgenommen.

Auch Jürgen Ebenau, immerhin Online-Chef des SWR, vertrat den Standpunkt, dass es weiterhin vor allem das lineare Fernsehen sein wird, das als Treiber für hochwertige Inhalten fungieren kann. Besonders die Öffentlich-Rechtlichen hätten aber nach wie vor das Problem, dass mit den derzeitigen Sender nicht genügend junge Leute erreichen könne. Ein junger, linearer Sender sei deswegen ausdrücklicher Wunsch des SWR.

Zweites großes Thema der Diskussionsrunde war HbbTV. Nahezu harmonische Einigkeit zwischen privaten Rundfunkanbietern und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten herrschte bei der Forderung nach mehr Klarheit in Fragen der Regulierung. Derzeit stehe HbbTV vor dem Problem, dass nicht erkennbar sei, welchen gesetzlichen Richtlinien HbbTV-Angebote überhaupt unterliegen. Besonders im Bereich der Werberegulierung sehen die Privatsender die Gefahr, dass Dritte mit der Reichweite der Privatsender durch Werbeoverlays Kasse machen.

Dazu kommentiert Thomas Langheinrich von der baden-württembergischen Landesmedienanstalt LFK, dass die Medienhüter dabei selbst auf Hilfe durch den Gesetzgeber angewiesen seien. Letztlich könnten die Landesmedienanstalten aber ohnehin immer nur "hinterherregulieren". Persönlich sei er zwar begeistert von den Möglichkeiten, die sich mit HbbTV ergeben würden. Nach den Erfahrungen mit dem anfangs ebenso euphorisch begrüßten Mobile-TV stehe er dem Hype aber etwas skeptischer gegenüber.

Auch Harald Rösch von Kabel BW gibt sich zurückhaltend, was HbbTV angeht. Zunächst mal müsse der Nutzungskomfort verbessert werden. "Wenn ich heute ein HbbTV-Angebot nutze und zwischen einzelnen Teilen hin und her springe, habe ich nach fünf Minuten keine Lust mehr. Die aktuelle Performance ist einfach noch nicht so, dass sie Spaß macht. Wenn an diesen Aspekten noch gearbeitet wird, kann ich mir vorstellen, dass sich das durchsetzt", so Rösch. Aus diesem Grund setze Kabel BW derzeit auch nicht auf den HbbTV-Standard, sondern ein klassisches VoD-Angebot.

Trotzdem: Insgesamt herrschte eine optimistische Stimmung vor was die Chancen von HbbTV angeht. Erst in einem der anschließenden Workshops wurde dann ein nicht zu unterschätzendes Manko von HbbTV angesprochen: HbbTV ist ein Name, unter dem sich ein normaler Kunde kaum etwas vorstellen kann. Ein griffigerer Name würde der Akzeptanz sicher gut tun.Am Ende des ersten TV Komm-Tages bleibt zumindest eines festzuhalten: Der seit Jahren gewohnte Abgesang auf den Untergang des Fernsehens blieb aus - vielleicht aber auch nur, weil kein Verleger auf dem Podium saß.