Die Stadtwerke Hürth brauchen einen neuen Namen für eine Haltestelle der Linie 714. Oder sie streichen den Halt einfach. Wer in den letzten Jahren mit jener Linie durch den Kölner Vorort fuhr, kam an der Haltestelle "TV Studios" vorbei. Nicht nur wegen Straßenbauarbeiten stieg hier jedoch schon lange kaum noch jemand aus. Und ab Januar wohl niemand mehr: Das Hürther Gelände des Studio-Betreibers MMC wird zum 31. Dezember geschlossen. MMC-Sprecher Hans-Jörg Seibold bestätigte am Samstag gegenüber DWDL.de einen entsprechenden Bericht des "Kontakter". Der Vermieter des Geländes, der Oppenheim-Esch-Immobilienfonds, hat den Mietvertrag zum Jahresende gekündigt. Und eine Ausschlussklausel im Mietvertrag zwischen MMC und Oppenheim-Esch-Immobilienfonds untersagt die Weiternutzung des Geländes durch Konkurrenten der MMC - oder anders gesagt: Durch TV-Studiobetreiber.

 

 

Damit endet am 31. Dezember 2011 eine Ära. Hürth stand wie kein anderer Produktionsstandort für den Boom des Privatfernsehens in den 90er Jahren. Entstanden ist das MMC-Gelände in Hürth vor genau 20 Jahren. Mit gerade einmal drei Studios wurde es 1991 eröffnet. Über Jahre wurde permanent aus- und angebaut. Hier waren Klassiker des Privatfernsehens zu Hause, etwa Shows wie "Der Preis ist heiß", "Jeopardy", "Alles nichts oder?" oder "7 Tage, 7 Köpfe". Mit "Bärbel Schäfer", "Hans Meiser", "Ilona Christen" und der "Oliver Geißen Show" war Hürth die Hochburg des Dailytalks, mit den RTL-Serien "Das Amt", "Die Camper", "Nikola" und "Alles Atze" zeitweise auch die Hochburg der Sitcoms. Doch das ist schon länger her. Es waren die goldenen Zeiten.

Die, mit Talkshows und Gameshows in der Daytime. Die, in denen Studioshows als günstig und planbar galten, weil noch niemand die Dokusoap oder Scripted Reality entdeckt hatte. Für diese Genres bedarf es keiner großen Studios mehr. On Location ist längst das Zauberwort für das Daytime-Fernsehen in Deutschland. Die in Hürth produzierten Formate wurden weniger, auch weil die MMC längst so viele Kunden wir möglich an den zweiten, den neueren Standort in Köln-Ossendorf gelockt hat. Nur wenige Produktionen blieben noch in Hürth, darunter beispielsweise die Sat.1-Shows "Genial Daneben" und "Schillerstraße". Und heute ist die Sat.1-Serie "Danni Lowinski" die einzige Produktion auf dem zum Jahresende schließenden Gelände.

Für Studiobetreiber MMC kam die Kündigung des Mietvertrages in Hürth nicht überraschend. Ein 2009 geschlossener Mietvertrag sah diese Option für den Vermieter vor - mit frühest möglicher Kündigung zum 31. Dezember 2011. Und diese Option wurde gezogen. In den kommenden Monaten werde man in Hürth jetzt mit dem Rückbau der Studios und dem Ausbau der Technik beschäftigt sein. Böse Zungen witzeln: So viel war auf dem MMC-Gelände in Hürth schon lange nicht los. Doch MMC könnte sich mit der Konzentration auf den 1999 eröffneten Studio-Komplex Coloneum in Köln-Ossendorf gesund schrumpfen. Überkapazitäten im Studiobereich werden - sicher auch zur Freude der von Preiskämpfen gebeutelten Branche - abgebaut, gleichzeitig im Coloneum investiert. Eine zweite HD-Regie wurde in Betrieb genommen, das Foyer umgebaut, ein Cafe soll bald eröffnen.

Wenn Ende des Jahres auf dem MMC-Gelände das Licht aus geht, wird es also in erster Linie ein sentimentaler Moment sein. Hier, in diesem eher trostlosen Industriegebiet südwestlich von Köln, begann der Boom des Privatfernsehens. Hier begannen viele TV-Karrieren, wie auch die von Matthias Opdenhövel beispielsweise, der hier nach kleineren TV-Jobs mit der  VOX-Show "Hast Du Töne?" erstmals eine eigene Show moderierte. 333 Folgen lang. Fast jeder Fernsehschaffende in Deutschland hat eine Verbindung zu Hürth, kann Anekdoten erzählen. Nicht nur wegen MMC, denn nebenan - nur wenige hundert Meter weiter - sitzt ja auch noch der Konkurrent Nobeo. Der bleibt standhaft, baut auf Klassiker wie "Wer wird Millionär?" oder "Stern TV". Das beim Konkurrenten das Licht ausgemacht wird, dürfte dort aber niemanden freuen. Hürth verliert mit der MMC gleich dreierlei: Attraktivität und Relevanz im Fernsehgeschäft - und vermutlich eine Bushaltestelle.

Sie haben für eine Produktion auf dem MMC-Gelände in Hürth gearbeitet? Sie erinnern sich an die goldenen Zeiten? Wir freuen uns über Ihre Anekdoten, Erinnerungen oder Abschiedsworte. Das Medienmagazin DWDL.de sammelt Statements von Produzenten, Protagonisten und den unsichtbaren Helfern hinter der Kamera - und wird sie in der kommenden Woche veröffentlichen. Wir freuen uns über Ihre eMail an lueckerath@dwdl.de