Ende 2001 und Anfang 2002 war der Lerchenberg in Aufruhr. Auf der Suche nach einem Nachfolger für den aus Altersgründen aus dem Amt scheidenden ZDF-Intendanten Dieter Stolte entbrannte ein wildes parteipolitisches Geschacher zwischen SPD- und unionsnahen Mitgliedern des Fernsehrates. Hinter den Kulissen gab es ein Ringen um mögliche Konsenskandidaten - und doch musste sich das Gremium nach erfolglosen Wahlgängen immer wieder vertagen, weil keiner eine Drei-Fünftel-Mehrheit zustande brachte.
Gescheitert sind damals so respektable Kandidaten wie Dagmar Reim, heute RBB-Intendantin, Helmut Reitze, heute HR-Intendant, Gottfried Langenstein, heute 3sat-Chef und Vize-Präsident von Arte und Günter Struve, der damalige ARD-Programmdirektor. Dazu kamen weitere Bewerber wie der Ex-Fernsehspielchef Hans Janke oder Bertelsmann-Pressechef Manfred Harnischfeger, die sich letztlich aber nicht zur Wahl stellten. Zuletzt einigte man sich mit Markus Schächter auf einen Kandidaten, der längst aus dem Rennen schien - und das wohl auch, weil die Zeit drängte. Nur fünf Tage später hatte Dieter Stolte seinen letzten Arbeitstag.
Heute sucht das ZDF wieder einen neuen Intendanten - doch der Unterschied zu damals könnte kaum größer ausfallen. Im Januar kündigte ZDF-Intendant Markus Schächter an, dass er nach Ablauf seines Vertrages am 14. März 2012 nicht mehr für eine weitere Amtszeit zur Verfügung stehe. Schon Stunden später machte das Gerücht die Runde, dass Thomas Bellut heißester Kandidat für die Nachfolge ist und nun wird er neun Monate vor seinem Amtsantritt wohl auch offiziell gewählt.
Zwar hatte das ZDF die Intendantenstelle - weitgehend unbemerkt - im Internet ausgeschrieben, darüber aber keine ernsthaften Bewerbungen erhalten. Und auch sonst herrschte ganz anders als beim Streit um den damaligen Chefredakteur Nikolaus Brender diesmal auch zwischen den einzelnen Parteien offenbar Konsens, dass Bellut ein geeigneter Kandidat wäre. Für ein kurzes Störfeuer sorgte noch einmal FAS-Feuilletonist Claudius Seidl, der sich mit polemischen Kommentaren zunächst im Rahmen einer Glosse selbst als neuer Bewerber ins Gespräch brachte. Daneben versuchte ein unbekannter Mann aus Hessen versuchte in letzer Minute noch per Gerichtsentscheid die den Wahlprozess zu stoppen, weil seine Kandidatur mangels Unterstützung im Fernsehrat nicht zugelassen worden war.
Doch das sind Randnotizen einer erstaunlich harmonisch verlaufenen Nachfolgersuche, die an diesem Freitag-Vormittag enden wird. Thomas Bellut tritt als einziger Kandidat bei der Wahl zum neuen ZDF-Intendanten an, ernsthafte Zweifel daran, dass er bereits im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit als Schächter-Nachfolger gewählt wird, bestehen nicht. Es ist letztlich kaum mehr als eine Formsache, der Vollzug einer seit Wochen feststehenden Entscheidung. Einer Entscheidung, die vor allem auch aufgrund des völlig ausbleibenden Gezankes in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle spielt. Hätte nicht Seidl zuletzt für etwas Wirbel gesorgt, sie wäre wohl fast völlig untergegangen.
Es wird der wichtigen Position des ZDF-Intendanten eigentlich nicht gerecht, dass kaum darüber diskutiert wurde, wer denn hier tatsächlich geeignete Kandidaten wären. Ob neben Thomas Bellut, der zweifellos keine schlechte Wahl wäre, nicht vielleicht auch noch jemand mit anderen Ideen für die Fortentwicklung des ZDF und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an sich zumindest gehört werden sollte. Doch stattdessen wurde und wird die Frage, wer auf Thomas Gottschalk folgt, mit ungleich mehr Leidenschaft und Abwägung von Qualitäten und Eignung diskutiert als die des ZDF-Intendanten.
Und so bestimmt auch am Tag vorher nicht etwa die Intendantenwahl, sondern Thomas Gottschalk mit weiteren Aussagen über seine Zeit nach "Wetten, dass..?", die kommende Ausgabe und seine möglichen Nachfolger die Schlagzeilen. Und wenn dann gegen Mittag endlich auch die Formsache der Wahl Belluts mit anschließender Pressekonferenz über die Bühne ist, können sich die Verantwortlichen auf die Reise machen und wie auf einem Betriebsausflug in Mallorca am Rande des Sommer-"Wetten, dass..?" wieder über die anscheinend wichtigeren Nachfolgefragen sinnieren.