Bei RTL II dürfte man in den vergangenen Wochen selten so zufrieden gewesen sein wie an diesem Mittwochabend. Nach den Negativ-Schlagzeilen, die der Sender mit seiner sehr unglücklich kommunizierten Qualitätsoffensive im August ausgelöst hatte und dafür reichlich Schelte kassieren musste, knallen jetzt mal kurz die Sektkorken: Über Wochen hinweg hielten der Sender, die Produktionsfirma und alle an dem Projekt beteiligten Personen dicht. Niemand wusste etwas über die neue RTL II-Sendung "Tatort Internet" - und ehrlicherweise muss man sagen: Nach den letzten Enttäuschungen hatten viele Journalisten und Zuschauer wohl auch nicht viel erwartet.
An diesem Donnerstag jetzt die Enthüllung - mit Titelseiten-Unterstützung bei "Bild" und "Stern": Hinter dem bislang geheimnisvollen "Tatort Internet" steckt die aktuell vermutlich anspruchsvollste Eigenproduktion des Senders, der sonst mit dem Gegenteil Schlagzeilen macht. Denn hinter dem Sendungstitel steckt keine weitere Dokusoap nach erwartbarem Muster, sondern viel mehr ein gesellschaftspolitischers Anliegen. So formuliert es der Sender. Das klingt gewagt, beinahe unglaublich bei RTL II. Die Sendung basiert auf dem Format "To Catch a Predator", welches von 2004 bis 2007 in den USA bei NBC lief. "Tatort Internet" wird produziert von der Münchener Produktionsfirma Diwafilm, die sich seit über drei Jahrzehnten mit Reportagen und Dokumentationen für die Öffentlich-Rechtlichen einen Namen gemacht haben.
Und jetzt also RTL II. Der volle Titel des Formats, "Tatort Internet - Schützt endlich unsere Kinder", verrät schon, um was es geht: Man widmet sich den Gefahren, denen Kinder heutzutage im Internet ausgesetzt sind. Und das auf ungewöhnliche Art: Triebtäter und potentielle Kinderschänder werden mit fiktiven Profilen von minderjährigen Jungen und Mädchen in die Falle gelockt. Das Format dokumentiert die Kontaktaufnahmen im Internet bis zum geplanten Treffen, wo die potentiellen Straftäter dann vor laufenden Kameras zur Rede gestellt werden. Doch die Sendung setzt nicht nur auf Effekthascherei.
Das Ziel von "Tatort Internet" ist eine Gesetzesänderung, damit nicht nur der tatsächliche Kindesmissbrauch sondern auch die unsittliche Annäherung über das Internet, das sogenannte Cyber-Grooming, unter Strafe gestellt werden kann. Eine Absicht, die auch Minister-Gattin Stephanie zu Guttenberg mit dem von ihr unterstützten Verein "Innocence in Danger" verfolgt. Und so fand man zusammen: An diesem Donnerstag wird RTL II Frau zu Guttenberg in Berlin als Moderatorin und Unterstützerin des Formats vorstellen. Sie führt neben dem ehemaligen Hamburger Innensenator und Polizeipräsidenten Udo Nagel durch die Sendung, in der das Thema auch mit Beiträgen von Politikern, Psychiatern, Sexualwissenschaftlern und weiteren Fachleuten beleuchtet wird.
Eigentlich sollte die erste Folge der zehnteiligen Sendung erst am kommenden Montag laufen, doch RTL II hat kurzerhand umgeplant. Weil am heutigen Donnerstag nicht nur der "Stern" mit dem Titelthema "Tatort Internet" aufmacht, sondern auch die "Bild" Stephanie zu Guttenbergs neuen TV-Job als großes Titelthema druckt, hat der Sender die Ausstrahlung des neuen Formats vorgezogen. Bereits am heutigen Donnerstagabend um 20.15 Uhr läuft die erste Ausgabe von "Tatort Internet - Schützt endlich unsere Kinder". Danach soll die Sendung wie geplant am Montagabend laufen. Die Details der Programmänderungen sind zur Stunde noch unklar.