"Leidensfähigkeit wurde auf eine Probe gestellt"

Ja, es war in der Tat noch einmal ein launiger Abend - ein Abend, an dem Netzer als Abschiedsgeschenk gleich mehrere DVDs erhielt, auf denen er sich all seine Beschimpfungen in Richtung Delling noch einmal zu Gemüte führen kann. Der revanchierte sich übrigens zugleich mit einer "längeren Rede", die all das beinhaltete was er Netzer in 13 Jahren schon immer einmal sagen wollte: "Danke." Auch von Netzer gab es eine kleine Dankesrede zu hören, fast schon versöhnlich: "In diesen 13 Jahren haben Sie sich als echter Freund erwiesen, auch vor der Kamera", so Netzer. Es sei eine Freude gewesen, mit Delling gearbeitet zu haben.

Dann legte Netzer aber doch noch einmal nach: "Meine Leidensfähigkeit wurde auf eine große Probe gestellt und ich bin froh, dass ich diesen Test bestanden habe. Sie haben mich für's Leben gestählt und alleine deswegen hat es sich schon gelohnt." Nettere Worte für seinen Kollegen konnte Günter Netzer wohl kaum finden - zumal er in all den Jahren ohnehin nicht gerade für überschwängliches Lob bekannt war. Wo bei anderen dutzende Superlative im Spiel gewesen wären, sagte Netzer am Samstag zum Erfolg der deutschen Mannschaft bei der nun zu Ende gehenden Weltmeisterschaft: "Das ist eine rundum gute Sache gewesen." Mehr Lob geht wohl nicht.



Mehmet Scholl wird es als Nachfolger jedenfalls sicherlich nicht einfach haben, wenngleich er bei seinen bisherigen Einsätzen durchaus eine gute Figur machte. Die Tatsache, dass die gemeinsamen Analysen von Gerhard Delling und Günter Netzer in den zurückliegenden Jahren nicht selten besser waren als die Spiele, die man zu sehen bekam, sollten Scholl allerdings nicht abschrecken. Dennoch: Ein wenig Wehmut schwingt bei Netzers Abschied schon mit - denn wer soll künftig mit dem nötigen Ernst die Nationalmannschaft beurteilen? Dass er dennoch aufhörte, bevor er zum Aufhören gedrängt wurde, ist auch Ausdruck von Netzers Charakter. "Ich finde, es ist genug. Ich finde mich genug", sagte er kürzlich in einem Interview. Das mag sein, bloß: Fehlen wird Netzer trotzdem.