Die 17. Rede von Norbert Schneider, Direktor der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien auf einem Medienforum, war auch seine letzte. Zum 31. August wird er sein Amt niederlegen. Zum Abschied meldete er sich noch einmal mit gewohnt launigen Worten an die anwesenden Medien-Macher - und hielt ein kleines Plädoyer für das Fernsehen.
Zur Eröffnung wandte er sich an die Intellektuellen des Landes, die so gerne reflexartig auf das Fernsehen schimpfen. Schneider: "Verehrte Intellektuelle, bitte überwinden Sie den Brechreiz, der Sie befällt, wenn Sie noch vor jeglichem Sehen das Wort 'Fernsehen' nur hören! Akzeptieren Sie, dass selbst Sie von diesem Medium berührt und geprägt sind!" Auch Wissenschaftler sollten nicht das Medium vergessen, "das mit Schlaf und Arbeit um Platz 1 im Zeitbudget kämpft. Nur weil Sie es persönlich für zu trivial, zu unterschichtig halten."
Dem Abgesang auf das Fernsehen hält er entgegen: "Wie tot ist ein Medium wirklich, wenn es an einem Mittwochabend für ein Fernsehspiel über Scientology neun Millionen Zuschauer bewegt?" Allen gegenteiligen Prognosen zum Trotz werde es noch sehr lange Massenmedien geben, "die nicht mich anstrengen, sondern die sich angestrengt haben". Und weiter: "Es klingt ja tiefgründig, wenn wieder einmal jemand das Internet als das neue Leitmedium ausruft. Das ist nicht tiefgründig. Das ist einfach falsch." Zwar sei das Internet wichtig und werde immer wichtiger, aber nicht als Leitmedium, sondern als Plattform.
Doch zum Abschied hat er dann doch noch einige Verbesserungswünsche an die TV-Macher. So solle doch bitte künftig der "Inzest auch bei der Ausübung des journalistischen Handwerks ein Tabu" bleiben. "Medien sollen nicht immer mehr über Medien berichten, die berichten, was Medien berichtet haben". Und für Nachrichtensendungen solle "tabu sein, sie mit Programmtrailern voll zu streuseln". Ein Dirigent käme schließlich auch nicht auf die Idee, in der Pause vor dem Presto schnell noch auf seine CD aufmerksam zu machen. Weiter hoffe er, es noch zu erleben, dass das nächste Stück erst beginne, wenn das letzte zu Ende sei. "Ich bin ein bekennender Abspanner", so Schneider.
In Reportagen solle doch vielleicht für sechs Monate mal auf das O-Ton-Passanteninterview verzichtet werden - "ausgehend von der Einsicht, dass es nicht nur Meinungsvielfalt, sondern auch Meinungseinfalt gibt". Und ein besonderes Herzensanliegen sei ihm, dass von wichtigen Politikern für ihre Teilnahme an Talkshows doch vielleicht eine hohe, fiktive Teilnehmergebühr erhoben werden könnte, die diese dann als geldwerten Vorteil versteuern sollten.
Schneider hatte aber auch noch ein paar ernster gemeinte Wünsche im Angebot: Mehr Respekt vor der Medienaufsicht etwa, gerade in dem Fall, in dem die Aufsicht keine Bußgelder oder Sanktionen aussprechen könne, sondern das Gespräch mit den Sendern suche. Es sei "gerade für die öffentliche Debatte von Übel, die Medienaufsicht wie eine lästige Größe zu behandeln, an der man sich ganz nach Gefallen ignorierend, lamentierend oder auch mal denunzierend abarbeitet." Schneider hofft darüberhinaus, dass die Medienpolitik nicht länger als das fünfte Rad am Themenwagen verstanden werde. Denn speziell die Digitalisierung finde nicht in "unzugänglichen Laboren" statt, sondern berühre "den Kern der Sehnsüchte und Ängste der Menschen".
Und an seinen eigenen Berufsstand gerichtet wünschte sich Schneider zum Abschied eine übergreifende Medienanstalt der Länder statt der vielen Landesmedienanstalten. Das würde den Föderalismus seiner Meinung nach nicht schwächen, sondern sogar stärken. In Bayern sieht man das freilich anders und beeilte sich per Pressemitteilung jüngst bei der Einrichtung einer gemeinsamen Geschäftsstelle der Landesmedienanstalten noch einmal zu betonen, dass diese ausschließlich koordinierende Funktionen hätte. Die föderal organisierte Rundfunkaufsicht durch die dezentral organisierten Landesmedienanstalten könne dadurch nicht in Frage gestellt werden, stellte man ungefragt klar. Auch wenn Norbert Schneider überzeugt ist, sie noch zu erleben: Zu einer gemeinsamen Medienanstalt der Länder scheint es noch ein sehr weiter Weg.