Noch Regierungssprecher, bald Intendant? Ulrich WilhelmAm heutigen Donnerstag entscheidet der Rundfunkrat über den Nachfolger für den scheidenden BR-Intendanten Thomas Gruber. Wenn alles seinen erwarteten Gang geht, dann dürfte Ulrich Wilhelm und damit der derzeitige Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Sieger aus der Wahl hervorgehen. Wenige Monate nach der politisch motivierten Verweigerung der Vertragsverlängerung für ZDF-Chefredakteur Brender und der dadurch wieder angestoßenen Diskussion über den Einfluss von Politik und Parteien auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, hat das einen besonders faden Beigeschmack.

Kurz vor der Wahl, wird die Kritik an der Kandidatur Wilhelms nun auch schärfer. Vor dem Bremer Presse-Club äußerte sich nun auch der geschasste ZDF-Chefredakteur Brender. Er finde es verwunderlich, dass sich die Empörung bislang "nur so gezügelt" zeige. Er finde es hoch erstaunlich, dass Wilhelm "ohne Zwischending vom Regierungssessel auf den Intendantensessel wechseln" könne, sagte Brender laut Radio Bremen. Durch diesen Fall bekämen erneut die Kritiker recht, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Staatsnähe attestierten.

Auf "stern.de" wundert sich auch Bernd Gäbler, dass Angela Merkel es ohne größeren öffentlichen Protest zu gelingen scheint, ihren langjährigen Sprecher nahtlos an die Spitze einer der größten ARD-Anstalten zu hieven. "Sie hat die politische Öffentlichkeit sediert", schreibt Gäbler, der den Vorgang als schamlosen Übergriff bezeichnet und die Verflechtung von Politik und Medien in einer neuen Qualität angekommen sieht.

An der Wahl Wilhelms, dessen persönliche Eignung für das Amt ihm selbst Kritiker auch gar nicht absprechen wollen, wird der Protest wohl ebensowenig etwas ändern wie der Brandbrief von vier Rundfunkräten, die Mitte April von einer "Bankrotterklärung für die gesetzlich geforderte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" sprachen und die Klüngelei bei der Auswahl des nächsten Intendanten kritisierten. Dass sie genug Unterstützung für den Gegenkandidaten Rudolf Erhard, seinerseits langjähriger Landtagsreporter des BR und 18 Jahre lang Vorsitzender der bayerischen Landtagspresse, organisieren konnten, ist kaum zu erwarten.