Foto: Axel Springer Verlag"Kai Diekmanns Erektionsprobleme sind publizistisch von sehr nachgeordneter Relevanz", schrieb Ines Pohl, seit kurzem Chefredakteurin der "tageszeitung" am 17. November in einem Pro- und Contra-Artikel über das neue Kunstwerk, das seit einigen Tagen die Fassade des Verlagsgebäudes der Zeitung ziert. Dennoch sorgt das Thema derzeit für reichlich Gesprächsstoff. Dahinter verbirgt sich eine absurde Kabbelei zwischen "Bild" und "taz" und eine private Fehde zwischen "taz"-Anwalt Jony Eisenberg und "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann.

So fand das Genital Diekmanns im Jahr 2002 erstmals Erwähnung in der "taz". Auf der Satire-Seite "Die Wahrheit" wurde von einer fiktiven Penis-Vergrößerung Diekmanns erzählt. Diekmann klagte gegen die Verbreitung des Textes und hatte zum Teil Erfolg. Ende Oktober nun veröffentlichte er den Text selbst in seinem Blog. Dies wiederum zog eine Klage des "taz"-Anwaltes Eisenberg nach sich, mit dem Diekmann sich schon öfter auseinandergesetzt hatte. Der Penis war wieder im Gespräch der Fachwelt.
 

 

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Wenige Tage später, am 15. November dieses Jahres, wurde nach einer Planungszeit von mehr als einem Jahr an der "taz"-Fassade das Kunstwerk "Friede sei mit Dir" von Peter Lenk enthülllt, das unter anderem einen Mann, der Diekmanns Gesichtszüge trägt, zeigt. Der Mann ist untenrum unbekleidet, sein Genital ragt meterweit in die Höhe. Das sorgte für Gesprächsstoff. Vor allem Diekmann bot es Anlass zu zahlreichen Kommentaren in seinem Blog. Bei der "tageszeitung" selbst entbrannte ein Streit um das für und wider des Kunstwerk. Per Vorstandsbeschluss der Genossenschaft der Zeitung soll das Kunstwerk wieder entfernt werden. Am heutigen Mittwoch hat die Mitarbeiter-Versammlung der Zeitung über die Formalitäten zu entscheiden: Wer darf über die Fassade des Gebäudes in der Rudi-Dutschke-Straße verfügen?

Die Auseinandersetzung mit der Kunst und Diekmanns Genital zog derart weite Kreise, dass Chefredakteurin Pohl sich in der Zeitung zu Wort meldete. In ihrem Artikel gegen das Kunstwerk schrieb sie: "Ich habe schlicht keine Lust auf diese aufgeblasene Spießigkeit, die sich um den ewig traurigen Männermachtkampf dreht: Wer nun hat den Längeren? Mann, diese Diskussionen sind mindestens von vorgestern, Tabubrüche kommen nicht mehr in Schwanzform daher. Es gibt 'Bild' und es gibt die 'taz'. Und wir kämpfen mit Esprit und nicht um Zentimeter."

Ähnlich sieht es offenbar auch Kai Diekmann. Das Kunstwerk ist für ihn eine wunderbare Vorlage, Kritik an der Zeitung zu üben, bei der er seit einigen Monaten auch über Genossenschaftsanteile verfügt und somit Mitbesitzer ist. In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte Diekmann, der Streit führe zu ersten Abo-Kündigungen. "Die neue Chefredaktion hat den Kontakt zu ihren Lesern offenbar noch nicht gefunden. Und als ob das noch nicht genug wäre, zerfleischt sich darob die Redaktion selbst. Nicht etwa wegen Atomkraft, Genforschung oder Integration - sondern wegen eines männlichen Geschlechtsteils".

Diekmann zeigt sich in der "FAZ" höchst amüsiert von den Vorgängen in der Rudi-Dutschke-Straße "Zuzusehen, wie sich die 'taz' darüber selbst zerfleischt ist nicht ohne Höhepunkte. Da bin ich brutalstmöglicher Voyeur - ich kann nicht mehr weggucken! Insofern wünsche ich dem Werk, jetzt mal mit einer 'Eis am Stil"-Zote - großes Stehvermögen.

Ganz unschuldig ist Diekmann an der Dynamik, die die Debatte um das Kunstwerk an der Fassade des "taz"-Gebäudes mittlerweile entwickelt hat, allerdings nicht. Am Freitag vergangener Woche wurde in Berlin eine Fake-"taz" mit der Titelzeile "Wir sind Schwanz!" verteilt. Trotz intensiver Recherche ist es der Zeitung nicht gelungen, den Urheber ausfindig zu machen. Nun gibt Diekmann, der ohnehin in Verdacht stand, in der "FAZ" seine Urheberschaft zu. "Jetzt lasse ich die Druckplatte der Sonderausgabe in einem schönen Rahmen und mit Widmung an Ines Pohl übergeben", so der "Bild"-Chef.