Foto: ProSiebenSat.1Noch ist der Umzug des Senders Sat.1 nach Unterföhring nicht beschlossen. Man werde in den kommenden Wochen eine Entscheidung fällen, sagte ProSiebenSat.1-Chef Guillaume de Posch während der Präsentation der Quartalszahlen am gestrigen Donnerstag. Doch in Berlin regt sich bereit scharfer Widerstand gegen die Überlegungen. Am Freitag zur symbolischen Uhrzeit fünf vor zwölf startete auf dem Berliner Gendarmenmarkt - unmittelbar vor der Sat.1-Zentrale - eine Protestkundgebung der Mitarbeiter, zu der die Betriebsräte des Senders aufgerufen hatten.
 
Laut den Angaben von Kathlen Eggerlin, Gewerkschaftssekretärin bei Ver.di, haben an der Kundgebung "mehrere hundert" Menschen teilgenommen. Die Demonstranten erschienen laut Eggerlin mit Transparenten und trugen zum Teil Heuschrecken mit sich. Unter anderem sei "Wir sind Berlin, wir bleiben an der Spree" skandiert worden. Laut Eggerlin, die sich innerhalb der Gewerkschaft schon länger mit dem Thema ProSiebenSat.1 befasst, sei die Wut der Mitarbeiter bislang nicht derart deutlich artikuliert worden, wie in diesen Tagen. Bei Sat.1 sieht man sich schon seit längerem mit massiven Sparmaßnahmen der Konzernspitze konfrontiert. "Die Mitarbeiter sind bereit, alle Mittel auszuschöpfen", sagte Eggerlin am Freitag-Mittag dem Medienmagazin DWDL.de.
 

Am Mittag meldeten sich auch die Mitarbeiter von Sat.1 mit einem offenen Brief zu Wort. In einer geheimen und anonymen Abstimmung unter den Mitarbeitern der Zentralredaktion habe sich die überwältigende Mehrheit dagegen entschieden, im Falle eines Umzugs dem Sender nach Unterföhring zu folgen. Auf den Fluren des Senders gebe es derzeit nur ein Thema, teilen die  Sat.1-Mitarbieter in ihrem Schreiben mit: "Ich will hierbleiben. Ich möchte unter vernünftigen Bedingungen ein erfolgreiches Programm machen".
 
In ihrem offenen Brief setzen sich die Sat.1-Mitarbeiter mit harschen Worten mit der Arbeit der Konzernspitze auseinander. "Von einer erkennbaren Strategie für die Zukunft der Senderfamilie kann überhaupt keine Rede sein. Und jetzt soll Sat.1 von Berlin-Mitte nach München-Unterföhring verlagert werden. Alles in allem ein Protokoll des Scheiterns", ist dort zu lesen.

Die Mitarbeiter sehen in Sat.1 derzeit noch einen breit aufgestellten "Stand-Alone-Sender mit großem Werbepotential". Sie sehen die Gefahr, dass Sat.1 nach einem Umzug "zu einem gesichtslosen Bestandteil einer Fernsehfabrik holländischen Zuschnitts" werden könnte. Zudem verbaue man sich mit einem Umzug die Option auf einen Einzelverkauf des Sender. Auf Grund der sinkenden Motivation fürchten die Mitarbeiter, ein "bislang einzigartiger Kompetenzverlust" könne den Sender ergreifen.

Unterstützt wird das Schreiben der Sat.1-Mitarbeiter von der Ver.di Interessenvertretung Connexx.AV und dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) in Berlin. "Die Mitarbeiter am Standort Berlin dürfen nicht die Bauernopfer der Sat.1-Krise sein", kritisierte auch der DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken.
 
Seine  Solidarität mit den Sat.1-Mitarbeitern bekundete auch der Klaus Wowereit, regierender Bürgermeister in Berlin.  "Es kann und darf nicht sein, dass mit vorgeblich rationalen betriebswirtschaftlichen Argumenten letztlich eine sachfremde Rationalisierungspolitik betrieben wird", so Wowereit. "Das wäre nicht nur ein bedeutender Verlust für den Medienstandort Berlin, sondern ein Wegzug aus der Hauptstadt aus reinen Rationalisierungsgründen, was letztlich auch die journalistische Qualität berühren würde", so Wowereit weiter.
 
Bei ProSiebenSat.1 äußert man sich auf DWDL.de-Nachfrage derzeit nicht zu den Protesten gegen die Überlegungen, den Sender eventuell an den Standort Unterföhring zu verlagern.

Den offenen Brief der Sat.1-Mitarbeiter im vollständigen Wortlaut finden Sie auf der folgenden Seite.