Im Rechtstreit um ein Interview, das in der "Saarbrücker Zeitung" erschienen ist, hat "Focus"-Herausgeber und Chefredakteur Helmut Markwort vor dem Oberlandesgericht Hamburg in zweiter und letzter Instanz einen Erfolg errungen. So darf die Zeitung nun nicht mehr behaupten, ein Interview, das Markwort vor 15 Jahren mit dem Schriftsteller Ernst Jünger geführt habe, sei bereits zwei Jahre zuvor in der Burda-Zeitschrift "Bunte" erschienen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräfitg.
Die umstrittene Behauptung hatte Roger Willemsen in einem Interview mit der "Saarbrücker Zeitung" aufgestellt. Nach Ansicht des Gerichts habe sich die Zeitung diese Aussage ungeprüft zu eigen gemacht. So habe das Blatt die Aussage nicht nur verbreitet, sondern "durch die Auswahl und Montage des Materials dem Leser gegenüber zum Ausdruck" gebracht, "dass in dem Beitrag nunmehr tatsächliche Beispiele für Lügen offenbart werden sollen, und nicht etwa ein Beitrag, in dem den Lesern mitgeteilt werden soll, welche Vorgänge nur nach der subjektiven Sicht des Interviewten als 'Lügen' anzusehen seien", heißt es in der Urteilsbegründung.
Die "Saarbrücker Zeitung" kündigte am Donnerstag an, gegen das Urteil eine Nichtzulassungs-Beschwerde beim Bundesgerichtshof einzulegen. "Das Urteil des Berufungsgerichts verkennt, dass sich die 'Saarbrücker Zeitung' die Interviewaussagen von Willemsen nicht zu Eigen gemacht, sondern sich durch die Wiedergabe der Willemsen-Äußerungen per Interview deutlich von dessen subjektiven Aussagen distanziert hat", teilen Verlag und Chefredaktion mit. Demnach reiche für eine hinreichende Distanzierung bei einem Interview aus, dass der Befragte als Quelle der Information ersichtlich sei.
Nachdem das Landgericht Hamburg Markwort bereits in erster Instanz Recht gegeben hatte, hagelte es Proteste, in denen kritisiert wurde, das Urteil gefährde die Pressefreiheit, da klassische Interviews demnach künftig vollständig auf den Wahrheitsgehalt der Aussagen der Interviewten überprüft werden müssten.
Robert Schweizer, als Vorstand bei Hubert Burda Media, der Muttergesellschaft des Focus Magazin Verlags, für Rechtsfragen zuständig, betont, bereits in erster Instanz sei darauf hingewiesen worden, dass zwischen dem Interviewer und Willemsen selbst Übereinkunft hinsichtlich der zu Unrecht festgestellten Lüge geherrscht habe, wodurch die Zeitung nicht nur als Verbreiter, sondern auch als Täter hafte.
"Es kann deshalb weiterhin gute und kritische Interviews geben. Nichts hat sich geändert. Im entscheidenden Fall hat sich die Zeitung nur unprofessionell mit dem Interviewten identifiziert und solidarisiert", so Schweizer. Der Burda-Vorstand fordert diegenigen Kritiker auf, die entsprechend falsch berichtet hätten, ihre noch im Internet verfügbaren Artikel gemäß Ziffer 3 des Pressekodex' richtig zu stellen.
Nach Ansicht der „Saarbrücker Zeitung“ ist Schweizers Erläuterung "in grobem Maße unzutreffend". Es entspräche einer Wunschvorstellung des Focus Magazin Verlags zu behaupten, es habe zwischen dem Interviewer und dem Interviewten eine „Übereinkunft“ gegeben, so die "Saarbrücker Zeitung". "Die entsprechende Feststellung des OLG Hamburg ist nicht nachvollziehbar und nach Ansicht der 'Saarbrücker Zeitung' nicht haltbar. Insbesondere die Behauptung von Professor Schweizer, die 'Saarbrücker Zeitung' habe als 'Täter' und nicht nur als Verbreiter gehandelt, ist grotesk", teilt der Verlag mit.