Logo: ProSiebenSAT.1Vor lauter Euphorie über den Zusammenschluss von ProSiebenSat.1 Media und SBS Broadcasting zu einem pan-europäischen Medienkonzern wurde der eigentliche Hauptschauplatz bei ProSiebenSat.1 kurzzeitig zur Nebensache. Bis zu diesem Wochenende. Nach der Übernahme der Sendergruppe durch die Finanzinvestoren KKR und Permira steht dem Konzern ein strikter Sparkurs bevor. Was bislang eine Binsenweisheit war, wird in diesen Tagen konkret.

Das erste Sparopfer ist Sat.1. Dort wollen KKR und Permira bei den Informations- und Nachrichtenformaten sparen. Der konkrete Plan: Nach DWDL.de-Informationen sollen das Mittagsmagazin "Sat.1 am Mittag", das Vorabendmagazin "Sat.1 am Abend" und die Spätnachrichten "Sat.1 - Die Nacht" eingestellt werden. Teilweise bereits im August. Laut "Spiegel"-Informationen ist auch das Boulevardmagazin "Blitz" von den Sparmaßnahmen, wenn auch nicht einer Einstellung, betroffen. Die Hauptnachrichten um 18:30 Uhr bleiben erhalten - allerdings ohne Anchorman und Sat.1-Nachrichtenchef Thomas Kausch. Der wurde vom ehemaligen Sat.1-Geschäftsführer Roger Schawinski zum Sender geholt - mit dem Versprechen und dem Auftrag das Informationsprofil des Senders zu schärfen.
 
Foto: SAT.1 / Bernd WondulekAngesichts der Sparmaßnahmen und Streichung beinahe aller Informationsprogramme scheint Kausch aber nicht länger für diese Aufgabe bereitstehen zu wollen. Schon am Freitag hat er den Sender verlassen. Laut Sat.1-Sprecherin Kristina Faßler hat er einen zweiwöchigen Urlaub angetreten. Soweit die offizielle Darstellung, Details will man nicht kommentieren, wie zu lesen ist. U.a. die "Süddeutsche Zeitung" berichtet am Samstag, dass man im Sender in Berlin-Mitte vom plötzlichen Abtauchen des Moderators überrascht ist. eMails, die der DWDL.de-Redaktion vorliegen, bestätigen das. Im Flurfunk heiß diskutiert: Die Frage, wieso er gleich seine persönlichen Sachen mitgenommen hat. Und laut "SZ" war nicht einmal seine Assistentin über den "Urlaub" informiert.
 
Ein Urlaub ohne Wiederkehr

Es ist nicht davon auszugehen, dass Kauschs Vertrag so kurzfristig von Senderseite gekündigt wurde. Gespräche habe es zwar gegeben, berichtet der "Spiegel" in seiner neuesten Ausgabe. Doch eine derart kurzfristige Kündigung würde Kosten verursachen, die nicht gewünscht sind und wäre auch nicht nötig. Der übereilte Abzug des Anchor scheint daher eher eine Reaktion des obersten Nachrichtenmanns selbst zu sein, der den künftigen Mangel nicht länger verwalten wollte. Verständlicherweise. Kausch im Urlaub ohne Wiederkehr - zumindest nicht zu Sat.1.

Seine Personalie soll sich in der kommenden Woche klären. Anwälte beider Seiten verhandeln über eine Auflösung des Vertrags, berichtet der Berliner "Tagesspiegel". Es ist aber nur eine, von zahlreichen Personalien. Nach Informationen die dem Medienmagazin DWDL.de vorliegen, sollen konzernweit sogar über 300 Arbeitsplätze gestrichen werden. Bei insgesamt 3.500 Angestellten der ProSiebenSat.1 Media AG würde so fast jeder zehnte Arbeitsplatz gestrichen. Am härtesten soll es den Standort Berlin treffen, wo die Sender Sat.1 und N24 beheimatet sind.
 
 
Allein bei Sat.1 würde laut "Spiegel"-Informationen jeder vierte Arbeitsplatz wegfallen, was für viel Aufregung sorgt. Und auch bei N24 soll empfindlich gespart werden. Laut Berliner "Tagesspiegel" ist nach den Sparvorschlägen der Unternehmensberatung McKinsey auch ein Umzug des Nachrichtenkanals in ein kostengünstigeres Domizil denkbar. Klar ist nach DWDL.de-Informationen: Für den kommenden Freitag ist eine Betriebsversammlng in Berlin geplant, wie auch "Spiegel" und "Euro am Sonntag" berichten.

Foto: SAT.1/Hans-Georg GaulAm leichtesten zu kündigen sind die Mitarbeiter von "Sat.1 am Mittag". Es ist kein Geheimnis, dass viele der Arbeitsverträge dort nur bis November laufen. In Stellenausschreibungen des Senders für das Mittagsmagazin waren in den vergangenen Monaten immer wieder solche befristeten Arbeitsvertrage zu finden. Hier betrifft der Sparkurs allein 35 Mitarbeiter, die ganze Arbeit geleistet haben: Die Quoten stabilisierten sich in den vergangenen Monaten auf sehr zufriedenstellendem Niveau.

Kommende Woche soll Klarheit bringen
 
Details zum Stellenabbau will die ProSiebenSat.1 Media AG offenbar in der kommenden Woche kommunizieren. Am Montag wird das Ergebnis der Unternehmensprüfung von McKinsey dem Aufsichtsrat des Konzerns vorgestellt. Am Dienstag steht die Hauptversammlung des Medienkonzerns an. Trotz der Sparpläne und über 300 Stellenstreichungen will sich der Aufsichtsrat dann übrigens höhere Gehälter genehmigen lassen: Künftig soll jedes Mitglied garantiert 100.000 Euro im Jahr bekommen. Der Aufsichtsratsvorsitzende und sein Stellvertreter 200.000 Euro. Eine zusätzliche variable Vergütung entfällt dafür, allerdings verdienten 2006 neun von 15 Mitgliedern weniger als 100.000 Euro.

Foto: Sat.1Am Ende bleibt eine ernüchternde Bilanz allein bei Sat.1: Drei tägliche Formate sollen gestrichen werden, der Nachrichtenchef verlässt den Sender und mit ihm offenbar bis zu jeder vierte Mitarbeiter. Schwere Voraussetzungen für Sat.1-Geschäftsführer Matthias Alberti (Foto), der aus seinem Sender mit viel Kraftanstrengung das "emotionale Leitmedium des modernen Mainstream" machen will. "Am Programm wird ganz sicher nicht gespart", beteuerte er in einem erst jetzt am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem Branchendienst "Horizont" noch. Alberti weiter: "Es ist allerdings selbstverständlich, dass jeder Sender immer wieder die Effizienz in allen Bereichen hinterfragt."
 
"Es gibt absolut keine Personalabbaupläne"

Als die beabsichtigte Übernahme von ProSiebenSat.1 durch KKR und Permira im vergangenen Dezember öffenlich gemacht wurde, sagte Lothar Lanz, Finanzvorstand der ProSiebenSat.1 Media AG, zu möglichen Sparmaßnahmen bei den Mitarbeitern: "Es gibt absolut keine Personalabbaupläne." Und auch die neuen Eigentümer wollten mit den erhofften Synergieeffekten keine Personaleinsparungen verstanden wissen. Permira-Deutschland-Chef Thomas Krenz versicherte, es werde keinen Jobabbau geben.

Die Halbwertszeit dieser Versprechen war gering, ihr Wahrheitsgehalt tendierte wohl von Anfang an gegen Null. Und selbst ProSiebenSat.1-Vorstandschef Guillaume de Posch räumte vor einigen Wochen erstmals ein, dass ein Personalabbau nicht auszuschliessen sei. Er will die Rendite des Medienkonzerns in den nächsten Jahren immerhin von derzeit 22,2 Prozent auf bis zu 30 Prozent steigern. Bei Sat.1 wird dafür zuerst gestrichen.