Seit mehreren Wochen fragen sich im NDR alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wer neuer Intendant der ARD-Anstalt wird. Ursprünglich hatte der Verwaltungsrat dem Rundfunkrat die ehemalige Bertelsmann-Managerin Sandra Harzer-Kux zur Wahl vorgeschlagen, vor dem 58-köpfigen Gremium erhielt sie aber nicht die notwendige Zweidrittel-Mehrheit. Laut NDR-Staatsvertrag hat der Verwaltungsrat das Recht, innerhalb von vier Wochen nach der Wahl einen weiteren Vorschlag zu machen - und dazu ist es am Montag nun auch gekommen. 

Der Verwaltungsrat des NDR schlägt demnach Hendrik Lünenborg zur Wahl als Intendant vor. Das dürfte für weniger überraschte Gesichter im Rundfunkrat sorgen, ist Lünenborg doch ein bekannter Name im Unternehmen. Er absolvierte um die Jahrtausendwende sein Volontariat im NDR und stieg danach immer weiter auf, zunächst zum Chef von Dienst und stellvertretenden Programmchef, später war er Leiter der Intendanz und Programmchef von NDR 90,3 sowie stellvertretender Direktor des Landesfunkhauses Hamburg. Seit Mitte 2023 ist Hendrik Lünenborg Direktor des Landesfunkhauses Hamburg.

Nun muss der Rundfunkrat über diese Personalie entscheiden. Das passiert möglicherweise schon bei der nächsten Sitzung des Gremiums am 16. Mai. Damit wäre auch sichergestellt, dass die Mitglieder des Gremiums Lünenborg besser kennenlernen als zum Beispiel Sandra Harzer-Kux, die erst eine Woche vor der entscheidenden Rundfunkratssitzung durch den Verwaltungsrat nominiert wurde. Läuft alles nach Plan, würde Lünenborg sein Amt zum 1. September antreten. Damit könnte Noch-Intendant Joachim Knuth doch etwas früher in den Ruhestand gehen, sein Vertrag läuft eigentlich noch bis Mitte Januar 2026 - Knuth hat aber bereits erklärt, er wolle seine Amtszeit verkürzen.  

"Hendrik Lünenborg kann Tempo: Das Landesfunkhaus Hamburg wurde unter seiner Leitung schnell zu einem crossmedialen Haus umgebaut und es wurden schlankere Führungsstrukturen etabliert."
Rüdiger Hülskamp, Vorsitzender des NDR-Verwaltungsrates


Sicher ist die Wahl von Hendrik Lünenborg keinesfalls, auch wenn er die von manchen Mitgliedern des Rundfunkrates so dringend geforderte NDR-Erfahrung mitbringt. Einige Männer und Frauen in dem Gremium ärgern sich generell, dass der Verwaltungsrat nur eine Person zur Wahl vorschlägt - sie hier also keine echte Wahl haben. Der NDR-Staatsvertrag ist an dieser Stelle ziemlich uneindeutig - und auch die den NDR beauftragenden Länder sind sich in der Frage, wie viele Personen der Verwaltungsrat dem Rundfunkrat zur Wahl vorschlagen darf, uneins (DWDL.de berichtete). Nun muss der Rundfunkrat die Personalie also abnicken - oder man lässt auch Lünenborg durchfallen. Auch für ihn gilt die Zweidrittel-Mehrheit. 

Vom Vorsitzenden des Verwaltungsrates, Rüdiger Hülskamp, gibt es für Hendrik Lünenborg nun jedenfalls viele Vorschusslorbeeren. "Mit Herrn Lünenborg kann der NDR diese Position [Intendant, Anm.] mit einer überzeugenden, erfahrenen und kommunikationsstarken Führungspersönlichkeit besetzen. Vor dem Hintergrund der herausfordernden Situation kann er die notwendigen Veränderungen und Weiterentwicklungen zielorientiert vorantreiben. In seiner bisherigen beruflichen Laufbahn hat er gezeigt, dass er konsequent Veränderungen umsetzen kann, dabei Zuversicht ausstrahlt und eine große Offenheit für Innovationen hat", so Hülskamp, der unterstreicht, dass Lünenborgs zentrales Thema der "Dialog auf Augenhöhe" sei. 

Für den Verwaltungsrat ist Lünenborg nur die 2. Wahl

Hülskamp: "Er steht für die dialogorientierte Kommunikation mit Nutzer:innen. Mit kreativen, auch digitalen Angeboten spricht er Zielgruppen an, die vom NDR besser erreicht werden sollen. Dazu zählt vor allem die jüngere Generation. Und Hendrik Lünenborg kann Tempo: Das Landesfunkhaus Hamburg wurde unter seiner Leitung schnell zu einem crossmedialen Haus umgebaut und es wurden schlankere Führungsstrukturen etabliert. [...] Herr Lünenborg steht zudem seit vielen Jahren glaubwürdig für die Umsetzung des Auftrages des NDR ein und sieht darin einen wichtigen Baustein zum Erhalt unserer Demokratie. Und er steht für die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und verteidigt ihn entschieden gegen Angriffe auf die Pressefreiheit."

In seinem Statement verweist der Verwaltungsratsvorsitzende dann auch noch einmal auf das "breit angelegte, mehrstufige und professionell durchgeführte Auswahlverfahren". Das lässt den Schluss zu, dass Hendrik Lünenborg zuvor in eben diesem Verfahren gegen Sandra Harzer-Kux unterlegen war. Bislang war nur bekannt, dass sich die ehemalige Bertelsmann-Managerin im letzten Schritt des Verfahrens gegen zwei Männer durchgesetzt hatte. Dass Lünenborg für den Verwaltungsrat nun ganz offensichtlich nur die zweite Wahl ist, kann bei der Wahl noch zur Bürde werden. Am Ende entscheidet aber der Rundfunkrat, der das auch ganz anders bewerten kann. 

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