Über den ARD-Serien "Sturm der Liebe" und "Rote Rosen" schwebte schon seit vielen Jahren eine Art Damoklesschwert. Im Raum stand dabei vor allem die Frage, ob sich die ARD auf Dauer diese zwei vergleichsweise teuren Produktionen am Nachmittag noch wird leisten wollen. Im vergangenen Jahr schien es eine Antwort zu geben: Die ARD verkündete, dass beide Serien künftig nur noch mit der Hälfte der Sendezeit auskommen müssen. Kurze Zeit später folgte jedoch die Rolle rückwärts, beide Serien sind auch künftig rund 48 Minuten lang. Außerdem erfolgte die Verlängerung bis 2027 (DWDL.de berichtete).

Wenn die Dreharbeiten zur Daily am 5. Mai wieder starten, wird sich einiges ändern, wie Diepers im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de ankündigt. "Wir haben das gesamte Studio nahezu entkernt", sagt der Serienwerft-Chef, der die Serie seit mittlerweile fast fünf Jahren verantwortet. Konkret wurden die Dekorationen umgebaut und die Kameratechnik verändert. Dadurch soll es künftig möglich werden, in den Sets in fast alle Richtungen zu drehen.
Und auch beim Licht gibt es große Veränderungen: "Wir wollen ein viel natürlicheres Licht als in der Vergangenheit", sagt Diepers. Im Studiokomplex in Lüneburg hängen im Vergleich zu früher nur noch einige wenige Lampen. Natürliches Licht soll in der Zukunft die Haupt-Lichtquelle sein. Dadurch soll die gesamte Serie authentischer werden, man kann mehr mit Schatten spielen. Weiterer Nebeneffekt: Die Produktion benötigt nur noch einen Bruchteil des bislang genutzten Stroms. Diepers rechnet vor, dass man im Vergleich zum Dezember den Wattverbrauch um 90 Prozent verringert habe.
Licht, Kamera, Post, Team und Inhalt: Alles neu
"Wir versuchen, ‘Rote Rosen’ nicht mehr nur für den Nachmittag zu produzieren, sondern die Serie auch stärker für die Mediathek der ARD zu denken", sagt Serienwerft-Chef Jan Diepers gegenüber DWDL.de. In der ARD-Mediathek ist die Serie bekanntlich schon heute ein Erfolg. "Ziel ist ein Format, das an den Produktionsaufwand einer Vorabendserie heranreicht, aber eben für einen viel geringeren Minutenpreis." Daher jetzt die Veränderungen hinter den Kulissen, aber für das ausgegebene Ziel wird auch eine andere Erzählweise nötig. In den neuen Folgen, die ab Oktober zu sehen sein werden, gibt es wie immer eine weibliche Hauptfigur Ende 40, darüber hinaus ist aber auch eine etwas jüngere Figur geplant, weil man anhand dieser andere Geschichten (z.B. Schwangerschaften) erzählen kann.
Bei der inhaltlichen Neuaufstellung helfen soll außerdem ein neues, rein weibliches Team: Theresa Schwarz als Writer Producer, Chefautorin Britta K. Öhding und Supervising Director Annette Herre zeichnen an den wichtigsten Stellen verantwortlich. Hinzu kommen zwei neue Kolleginnen auf DoP-Ebene, weil die bisher Verantwortlichen in Rente gegangen sind. Jan Diepers schraubt die Erwartungen schon einmal hoch: "Dramaturgisch war die Serie bislang sehr gleichförmig", sagt er. Man habe produktionstechnisch bislang nur eine bestimmte Anzahl an Szenen produzieren können, dadurch waren fast alle Szenen eineinhalb Minuten lang. "Jetzt haben wir auch dank neuer Technik Wege gefunden, mehr Szenen pro Folge zu drehen. Dadurch gibt es auch mal kürzere Szenen." Im Ergebnis steht ein neuer Rhythmus von "Rote Rosen".
"Ziel ist ein Format, das an den Produktionsaufwand einer Vorabendserie heranreicht, aber eben für einen viel geringeren Minutenpreis."
Jan Diepers, Geschäftsführer Studio Hamburg Serienwerft
Ebenfalls neu: Pro Folge ist künftig nur noch ein Regisseur eingebunden, früher waren es zwei, weil auch immer mit zwei Drehteams parallel gedreht wurde. Das hatte gewisse Nachteile, wenn Regisseur A nicht zu 100 Prozent wusste, wie eine bestimmte Szene von Regisseur B konkret umgesetzt wurde. Nun also die Umstellung, die eine logistische Herausforderung ist, weil eine Person plötzlich zwei Drehteams managt. Generell arbeitet die Serienwerft aber auch künftig mit sechs bis acht Regisseurinnen und Regisseuren über einen Zeitraum von sechs Monaten hinweg zusammen, danach wird dieser Pool teilweise um neue Personen ergänzt.
Vorlauf soll wieder verringert werden
Darüber hinaus gibt’s auch Veränderungen in der Postproduktion. So arbeitet man hier nicht nur verstärkt mit Künstlicher Intelligenz (KI), sondern hat auch das Schnittsystem gewechselt und dies komplett in die Cloud verlagert. Bereits seit dem vergangenen Jahr schreiben die Autorinnen und Autoren von "Rote Rosen" in der Cloud. KI sei derweil ein "großes Testfeld", sagt Diepers. Genutzt wird die KI heute etwa schon, um Töne mit Bildern zu synchronisieren. Außerdem arbeitet man bei der Serienwerft aktuell an der Programmierung eines Systems, dass die Möglichkeit für eine inhaltliche Bewertung gibt. Künftig soll es damit möglich sein, dass die KI den Cuttern Vorschläge für Szenen macht, die Sinn machen für einen möglichen Recap, der immer zu Beginn einer jeweiligen Folge zu sehen ist. Hier befindet man sich aktuell noch in der Beta Phase.
Dass es auf einen Schlag bei einer täglichen Serie so viele Veränderungen gibt, ist ungewöhnlich. Möglich wurde das einerseits durch die Planungssicherheit durch die Verlängerung um zwei Jahre, aber andererseits auch, weil "Rote Rosen" zuletzt einen Vorlauf von rund neun Monaten hatte. Das ist im Vergleich zu anderen Formaten dieser Art extrem viel. Grund dafür war die lange unklare Zukunftsperspektive. Jan Diepers nimmt gegenüber DWDL.de kein Blatt vor den Mund und räumt ein: "Der Vorlauf war auch deshalb so groß, weil wir davon ausgegangen sind, abgesetzt zu werden." Und wenn eine Serie in den Köpfen eigentlich schon abgesagt ist, hält man sich eben auch mit Investitionen zurück. In früheren Ausstrahlungspausen, und davon gab es in den zurückliegenden Jahren einige, habe man immer weiter gedreht, damit man im Fall der Fälle das Studio hätte früher verlassen können. Das hätte der Serienwerft bares Geld gespart, was durchaus relevant ist, wenn man weiß, dass die Studiomiete einer der größten Kostenpunkte bei der Produktion ist.
"Wir sind davon ausgegangen, abgesetzt zu werden."
Jan Diepers, Geschäftsführer Studio Hamburg Serienwerft
Nun ist das nicht mehr nötig, in Lüneburg laufen die Kameras noch bis zum Frühjahr 2027. Den großen Vorlauf will man jetzt wieder reduzieren, deshalb stehen die Kameras seit Wochen still. Das hat gleichzeitig die Tür geöffnet, um sich von Altlasten zu verabschieden und die Produktion auf völlig neue Beine zu stellen. Im kommenden Winter wird außerdem weniger gedreht. Dadurch verkleinert sich der Vorlauf weiter, andererseits hofft man dadurch auch auf mehr Sommerbilder innerhalb der Serie.
Das Selbstbewusstsein ist zurück
Die Investitionen, die das Team der Serienwerft und sein Service-Dienstleister Eurolight, der Personal und Licht stellt, in den vergangenen Wochen getätigt haben, sind durchaus beachtlich. In Summe sind es deutlich mehr als eine halbe Million Euro gewesen. Und mittlerweile ist auch das Selbstbewusstsein zurück: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit den Veränderungen neben dem Publikum, das wir haben, noch zusätzliche Zuschauerinnen und Zuschauer in der Mediathek erreichen. Ich würde die Investitionen nicht tätigen, wenn ich fest davon ausgehen würde, dass nach zwei Jahren endgültig Schluss ist", sagt Serienwerft-Geschäftsführer Jan Diepers. Nun müssen die Änderungen aber erst einmal fruchten - das Damoklesschwert ist für den Moment aber verschwunden. Dennoch muss "Rote Rosen" heute mit weniger Jahresbudget auskommen als noch vor 2020, der Minutenpreis ist im Vergleich zu 2006 stabil geblieben. Dafür gibt es mittlerweile eben nur noch 180 Folgen pro Jahr, inklusive wochenlanger Pausen.
"Ich würde die Investitionen nicht tätigen, wenn ich fest davon ausgehen würde, dass nach zwei Jahren endgültig Schluss ist"
Jan Diepers, Geschäftsführer Studio Hamburg Serienwerft
Die ARD will Diepers, trotz der langen Unklarheit, die über dem Format schwebte, nicht kritisieren. Im Gegenteil, er sagt: "In Zeiten steigender Inflation und gleichbleibender Beitragseinnahmen muss man natürlich verstärkt darauf achten, wo das Geld ausgegeben wird. Dass dabei eine Serie infrage gestellt wird, die seit Jahren läuft, ist völlig legitim." Inhaltlich habe man jedoch immer volle Unterstützung sowohl von NDR als auch der ARD Degeto gehabt. "Ich habe mir keinen besseren Partner vorstellen können", so der Produzent. Dass die gesamte ARD hinter der Produktion stehe, zeige schon alleine die Tatsache, dass man dort weiter nach Lösungen gesucht habe, obwohl eine Entscheidung zur Reduktion der Sendezeit bereits getroffen war.
Internationale Koproduktion im Fokus
Die Studio Hamburg Serienwerft ist aber ja noch viel mehr als nur "Rote Rosen". Die Produktionsfirma saß auch bei der internationalen Koproduktion "Parlament" mit im Boot, die Ende 2024 mit der vierten Staffel endete. Ab dem 28. April folgt die Mystery-Thriller-Serie "Anaon - Hüter der Nacht" in der ARD-Mediathek, die man ebenfalls mit Partnern aus Frankreich umgesetzt hat. "Wir wollen die Anzahl dieser Projekte deutlich hochfahren", sagte Jan Diepers im Sommer 2021 gegenüber DWDL.de, als er die Serienwerft als Geschäftsführer übernommen hatte. Bis auf die genannten Beispiele ist davon noch nicht viel zu sehen gewesen, das lag aber auch an den zähen Verhandlungen rund um "Rote Rosen" - 2024 lässt grüßen. Hinzu kommt die allgemein schwierige Wirtschaftslage.
Seine Pläne im Bereich der internationalen Koproduktionen hat Jan Diepers jedenfalls nicht aufgegeben. Aktuell habe man Vorverträge mit Sendern für fünf weitere Projekte. Details dazu kann Diepers aber noch nicht nennen. Mit der vorläufigen Sicherheit der "Rote Rosen"-Verlängerung sollte es nun aber auch endlich in diesem Geschäftsbereich vorangehen.