
Als Außenstehender war es gar nicht so einfach, der Debatte in dem Gremium zu folgen - auch, weil einige Rundfunkratsmitglieder ganz offensichtlich eigene Interessen verfolgten. Der Vertreter des Landesbauernverband Brandenburg echauffierte sich über einen längeren Zeitraum über die Berichterstattung des RBB in einem Fall, der bislang höchstens in Berlin und Brandenburg Schlagzeilen gemacht hatte. Dabei ging es um Tierquälerei, über die der RBB berichtete. Das Rundfunkratsmitglied beschwerte sich darüber, dass der Sender heimlich gemachte Aufnahmen nutzte, das geht auch aus der ursprünglichen Berichterstattung des RBB in dem Fall hervor, in dem er ebenfalls zu Wort kommt.
Programmdirektorin Katrin Günther, die dieses Amt nach ihrem angekündigten Rückzug noch kommissarisch ausübt, wurde es irgendwann zu bunt. Sie kritisierte einerseits, dass eine verzerrte Wahrnehmung entstehe und dass es zu der ganzen Sache gar nicht erst gekommen wäre, hätte es die Tierquälerei in der ersten Instanz nicht gegeben. Außerdem sei es "problematisch", so Günther weiter, wenn sich der Vertreter des Landesbauernverband als Mitglied des Rundfunkrates so sehr in die Berichterstattung einbringe. Er vermische seine Ämter, so der Vorwurf. "Dass wir dieses Thema hier öffentlich austragen, finde ich nicht gut", so die Programmdirektorin.
Es war eine skurrile Anekdote aus der Rundfunkratssitzung, auf der es eigentlich viel Wichtigeres zu besprechen gab. Intendantin Ulrike Demmer sprach etwa nochmal über das angekündigte 22-Millionen-Sparprogramm und die mehr als 150 Maßnahmen, die man im Rahmen dessen entwickelt habe. Zu sehr in die Karten schauen lassen wollte sie sich an dieser Stelle aber nicht, stattdessen verwies Demmer auf den internen Beteiligungsprozess, in dem man sich aktuell noch befinden würde. Deshalb sprach die Intendantin auch mehrmals von "potenziellen Maßnahmen".
"Im Parlament" vor dem Aus?
Einigen Mitgliedern des Rundfunkrates stieß es jedenfalls sauer auf, dass sie noch nicht über diese Maßnahmen informiert worden sind - im Gegensatz zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. So kam beispielsweise die Frage auf, wie man dann als Mitglied des Rundfunkrates an dem Prozess teilnehmen könne. "Wir müssen mitreden", brachte es schließlich ein Vertreter des Gremiums auf den Punkt.
"Liebgewonnene Formate und eingespielte Teams - vieles wird sich ändern."
RBB-Intendantin Ulrike Demmer
Irgendwann wurde dann aber deutlich: Die Mitglieder des Rundfunkrates könnten sehr wohl über die mehr als 150 Maßnahmen Bescheid wissen - wenn sie recherchiert hätten. So ist eine intern vor Mitarbeitenden gehaltene Präsentation im Intranet des RBB abrufbar - darauf haben auch die Gremienmitglieder Zugriff. Fest steht: Der großen Öffentlichkeit ist bislang nicht bekannt, welche Maßnahmen der RBB plant, um einerseits 22 Millionen Euro einzusparen und andererseits 254 Vollzeitstellen abzubauen. Ein Mitglied des Rundfunkrates erklärte jedoch, dass möglicherweise die Sendung "Im Parlament" eingestellt werden könnte.
Ulrike Demmer ging auf dieses konkrete Beispiel nicht weiter an und verwies stattdessen auf den laufenden Prozess. Ganz generell erklärte die Intendantin jedoch, dass bei den Maßnahmen "schmerzhafte Entscheidungen" mit dabei gewesen wären. "Liebgewonnene Formate und eingespielte Teams - vieles wird sich ändern." Die finanzielle Konsolidierung des Unternehmens sei ein "enormer Kraftakt", der unvermeidbar sei, so Demmer weiter. Es gehe darum, die Zukunftsfähigkeit des Senders zu sichern.
Abmahnungen und Ermahnungen in der Causa Gelbhaar
Auch die fehlerhafte Gelbhaar-Berichterstattung ist ein Thema, das kein schönes ist für die RBB-Intendantin. Durch die Rücktritte der Programmdirektorin und dem Chefredakteur David Biesinger liegen hier die offensichtlichsten Konsequenzen aber bereits auf dem Tisch (DWDL.de berichtete). Ulrike Demmer erklärte nun noch zusätzlich, dass es darüber hinaus auch Abmahnungen und Ermahnungen in der Sache gegeben habe. "Es sind auf allen Ebenen Fehler gemacht worden", so Demmer, die die journalistische Glaubwürdigkeit des RBB durch den Fall beschädigt sieht.
"Es gibt Fehler, die sind zu groß, um darüber hinwegzusehen."
RBB-Intendantin Ulrike Demmer
An dieser Stelle wurde Ulrike Demmer grundsätzlich - und verwies auf ihre frühere Zeit als Journalistin. Schon damals habe sie das Geschäft immer mehr infrage gestellt, weil es einen immer stärkeren Fokus gegeben habe auf Zuspitzung, Nutzwert-Themen und generell alles, was gut klicke. "Die Ökonomisierung hat dem Berufsstand nicht gut getan", so Demmer. An den Journalismus der Öffentlich-Rechtlichen müssten andere Maßstäbe angelegt werden, sagt die Intendantin. "Wir müssen nicht die ersten und auch nicht die lautesten sein. Gute Quoten sind nicht der Maßstab". Glaubwürdiger und vorurteilsfreier Journalismus sei der Kern, den man verfolge. Gleichzeitig räumte Demmer ein, dass Fehler passieren könnten. Aber: "Es gibt Fehler, die sind zu groß, um darüber hinwegzusehen." Im Fall der Gelbhaar-Berichterstattung sei ein Schaden einerseits für den RBB, aber auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt entstanden.
Kritik gab es im Rundfunkrat auch an der Personalie Peter Parycek, der dem Sender bei seiner Transformation helfen soll. Im Mittelpunkt der Kritik stand in der Öffentlichkeit bereits das hohe Gehalt Paryceks, das Demmer nun auch vor dem Aufsichtsgremium rechtfertigen musste. Die Intendantin ging hier in die Offensive und stellte Parycek als "Zielbildbeauftragten" vor und betonte, dass die Stelle regulär ausgeschrieben worden sei. Gleichzeitig lobte sie ihn als "Koryphäe" und unterstrich die große Aufgabe, die er zu bewältigen habe. Aus ihrer Sicht sei Parycek eine "kostengünstige Variante", Demmer verwies in dem Zusammenhang darauf, dass man seit dem vergangenen Jahr keine eigenständige Produktions- und Betriebsdirektion mehr habe.
"Mir wirkt das zu inquisitorisch"
"Wir haben ihn engagiert als Brückenbauer zwischen dem Programm, den Medien, der IT und der Verwaltung, um den Wandel nachhaltig und tragfähig zu gestalten", so Demmer über Parycek, der später auch sich selbst und die genaue Ausgestaltung des Programms Zielbild 2028 vorstellte.
Es war eine herausfordernde Sitzung des Rundfunkrates, sowohl für die Mitglieder des Gremiums als auch für das RBB-Management. "Mir wirkt das zu inquisitorisch", platzte es irgendwann aus einem Mitglied des Rundfunkrates heraus, der die Intendantin vor ungerechtfertigter Kritik und einer nach seiner Wahrnehmung zu aggressiven Grundstimmung schützen wollte. Er sei angetreten, weil es ihm um die Frage gehe, wie der RBB langfristig gegen Netflix bestehen könnte. Vieles, was besprochen worden sei, trage aber nicht zu einer Lösung bei. "Über die wirklichen Gefahren der Zukunft wird überhaupt nicht gesprochen."
(Auch dazu gab es im Rundfunkrat Gegenstimmen)