Seit vielen Jahren ist darüber spekuliert worden, dass der Berlusconi-Clan über ihr Medienimperium Media for Europe (früher: Mediaset) die Mehrheit an ProSiebenSat.1 übernehmen will. Und tatsächlich stockten die Italiener ihre Anteile an der deutschen Sendergruppe immer weiter auf, die Schwelle von 30 Prozent überschritten sie dabei aber nicht. Das könnte sich nun aber schon bald ändern.
Ende März kündigte MFE ein freiwilliges Übernahmeangebot an. Das muss passieren, wenn man mehr als 30 Prozent an einem Unternehmen halten will. Kurz zuvor war ProSiebenSat.1 bei seiner strategischen Neuaufstellung einen wichtigen Schritt vorangekommen und hatte nicht nur den Verkauf von Verivox kommuniziert, sondern sich auch mit General Atlantic (GA) auf ein verändertes Beteiligungsmodell an der NuCom Group geeinigt. ProSiebenSat.1 hält künftig alle Anteile an der NuCom Group (und der Parship Meet Group) und kann die hier liegenden Beteiligungen damit einfacher verkaufen, GA wird gleichzeitig Gesellschafter bei ProSiebenSat.1 und erhält Cash.
Nachdem die Weichen für die Zukunft gestellt waren, kündigte MFE also das Übernahmeangebot an, das allerdings nur dem gesetzlichen Mindestpreis in Höhe von 5,74 Euro pro Aktie entspricht (DWDL.de berichtete). Inwiefern das attraktiv ist, müssen die Aktionärinnen und Aktionäre wohl selbst bewerten. Auch die ProSiebenSat.1-Aktie hat in den vergangenen Tagen durch das von Donald Trump ausgelöste Zoll-Chaos eine Achterbahnfahrt erlebt, aktuell liegt der Kurs etwas unter dem von MFE gebotenen Preis. Bezahlen will MFE das Angebot einerseits in bar, andererseits über die Ausgabe eigener Aktien.
MFE wird durch die Offerte seine Anteile an ProSiebenSat.1 ziemlich sicher weiter aufstocken können. Wie viele Anteile man künftig hält, ist aktuell aber noch unklar. Und ProSiebenSat.1? Die haben das Angebot von MFE bislang noch gar nicht inhaltlich bewertet - und es wird wohl auch noch dauern, bis Vorstand und Aufsichtsrat sich äußern.
Das hat gute Gründe, denn MFE hatte das Übernahmeangebot zwar angekündigt, es liegt aber noch gar nicht vor. Nach der Ankündigung des freiwilligen Übernahmeangebots hat MFE acht Wochen Zeit, die Offerte auch tatsächlich einzureichen. Das wäre spätestens also Ende Mai. Wie die "SZ" berichtet, könnte es aber auch viel schneller gehen. Demnach könnte das konkrete Angebot bereits kurz nach Ostern eingehen - und auch dann gibt es bestimmte Fristen.
MFE reicht das Angebot nämlich zunächst bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein. Die BaFin hat dann nochmal rund zwei Wochen Zeit, um das Angebot zu prüfen. Nach Abschluss dieser Prüfung erfolgt die Veröffentlichung. Und auch wenn sich Vorstand und ProSiebenSat.1 schon jetzt hinter verschlossenen Türen mit der Offerte beschäftigen dürften, die Fakten liegen schließlich alle auf dem Tisch, beginnt erst nach der Veröffentlichung eine weitere, zweiwöchige Frist, innerhalb der eine Einschätzung abgegeben werden muss. Also konkret: Empfehlen Vorstand und Aufsichtsrat den übrigen Aktionärinnen und Aktionären die Annahme des Angebots?
Wenn alle Regularien eingehalten werden, haben Aktionärinnen und Aktionäre mehrere Wochen Zeit, um sich für oder gegen die Offerte zu entscheiden. Wichtig auch zu wissen: Durch das Vorgehen jetzt hat MFE in Zukunft die Möglichkeit, weitere Anteile zuzukaufen, ohne ein neues Übernahmeangebot zu machen.
Was macht PPF?
Sehr wahrscheinlich ist in jedem Fall, dass das Übernahmeangebot auf der anstehenden Hauptversammlung Ende Mai Thema sein wird. Und das könnte noch spannend werden, denn der zweite große Gesellschafter von ProSiebenSat.1, die tschechische Beteiligungsgesellschaft PPF, hat sich bislang noch überhaupt nicht zur Sache geäußert. Die "SZ" berichtete zuletzt allerdings, dass MFE sein jetziges Vorgehen nicht mit PPF abgesprochen haben soll. Das soll man in Tschechien verärgert zur Kenntnis genommen haben. PPF hält rund 13 Prozent an ProSiebenSat.1.
Bei der letzten Hauptversammlung verbündeten sich MFE und PPF überraschenderweise und arbeiteten in vielen Tagesordnungspunkten zusammen. So brachten sie die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten für den Aufsichtsrat ebenso durch und wie eine Satzungsänderung - und das alles gegen den Willen von ProSiebenSat.1. Abzuwarten bleibt, ob diese Harmonie zwischen den Gesellschaftern bei der kommenden Hauptversammlung immer noch besteht. Einiges spricht dafür, dass sich MFE und PPF in den vergangenen zwölf Monaten entfremdet haben. Damit könnte das nächste Aktionärstreffen von ProSiebenSat.1 erneut spannend werden.
Mehr zum Thema