Nur wenige Wochen dauerte der vermeintliche "Beta-Test" von Joyn, ehe dieser ziemlich kleinlaut für beendet erklärt wurde. Doch auch fast einen Monat, nachdem die Streamingplattform von ProSiebenSat.1 die Mediatheken-Inhalte von ARD und ZDF wieder aus dem eigenen Angebot entfernt hat, nachdem man diese zuvor ohne Absprache durch sogenanntes "Embedding" integrierte, zeigt sich, dass die Verärgerung auf Seiten der Öffentlich-Rechtlichen über das Vorgehen des privaten Medienkonzerns noch immer ziemlich groß ist.
Am Dienstag nun traf ProSiebenSat.1-Vorstand Markus Breitenecker beim eintägigen "Future Video"-Special der Medientage München auf ARD-Programmdirektorin Christine Strobl und Florian Kumb, den Chef der neu geschaffenen Direktion "Audience" im ZDF. Vor allem Strobl machte ihrem Ärger Luft, sprach offen von "unendlich viel Porzellan", das mit dem Schritt zertrümmert worden sei, und dass dieser nicht dazu geführt habe, das zu fördern, was man im Falle einer Kooperation brauche - nämlich Vertrauen.
"Also ich hätte es nicht gebraucht, ganz ehrlich", sagte die ARD-Programmdirektorin. "Das ist keine Art, miteinander umzugehen." Im Gegenteil, es sei "eher hinderlich, weil man dann so viel Zeit braucht, um wieder ins Gespräch zu kommen." Einmal in Rage geredet, machte Strobl deutlich, dass das Verhalten in ihren Augen gar eine Erziehungsfrage sei. Zurückhaltender, aber nicht weniger verärgert, äußerte sich Florian Kumb. "Ich verstehe den Druck, der auf ProSiebenSat.1 lastet." Dennoch müsse man zunächst den "Win-Win" für beide Seiten ausloten, "bevor man den Win auf der einen Seite einstreicht", gab Kumb zu bedenken und unterstrich, dass die eigenen Inhalte "nicht auf dem Wühltisch landen" sollen.
Markus Breitenecker rechtfertigte den zwischenzeitlichen Schritt, die Mediatheken-Inhalte von ARD und ZDF auf Joyn einzubetten, nicht nur hinsichtlich der aus seiner Sicht klaren Rechtslage, sondern auch mit dem Blick nach Österreich, wo ORF-Inhalte schon länger auf der ProSiebenSat.1-Plattform abrufbar sind. "Auch da gibt es keinen Vertrag, sondern eine stillschweigende Duldung - und das funktioniert für den ORF sehr gut." Da habe man gedacht: "Versuchen wir's auch in Deutschland."
Strobl will "Zusammenarbeit auf Augenhöhe"
Dass das ein Fehler war, scheint inzwischen auch bei dem ProSiebenSat.1-Vorstand angekommen zu sein. "Wir wollten an sich nicht, dass diese Stimmung entsteht. Aber man muss auch lernen und einsehen, dass das vielleicht zu früh war", räumte Breitenecker ein, entschuldigte sich bei ARD und ZDF - und verwies auf den wachsenden Druck der "Silicon-Valley-Giganten", zu denen inzwischen mehr als die Hälfte aller Werbeeinnahmen im deutschen Raum gingen. Dadurch sei das duale Rundfunksystem in Schieflage gekommen, weshalb man nun mit den Öffentlich-Rechtlichen auf "Kooperation statt Konkurrenz" setze.
Die jedoch setze eine "Zusammenarbeit auf Augenhöhe" voraus, konterte ARD-Programmdirektorin Christine Strobl, die im Embedden der Inhalte von ARD und ZDF bei Joyn aber erklärtermaßen nicht die Rettung des dualen Systems sieht. Ohnehin brauche man "keine Nachhilfe in der Frage, wo die internationalen Player sitzen, die uns von außen unter Zugzwang setzen", sagte sie und verwies darauf, dass es doch eine einfache Lösung in dem Streit gebe - nämlich die Inhalte von ARD und ZDF einfach zu verlinken, was für ProSiebenSat.1 aber offenkundig nicht in Frage kommt.
Ob es doch noch eine Einigung geben wird? Unklar, aber wohl nicht unmöglich. Man wolle sich einer Kooperation gar nicht verweigern, sie müsse nur "unter klaren Rahmenbedingungen stattfinden", machte ZDF-Direktor Florian Kumb deutlich. Und ProSiebenSat.1-Vorstand Markus Breitenecker zeigte sich auf der Medientage-Bühne, auf der auch BLM-Präsident Thorsten Schmiege und der Jurist Mark Cole diskutierten, zumindest gesprächsbereit bezüglich strittiger Fragen wie besagter Kuratierung oder auch Barrierefreiheit. "Wir verstehen das. All das ist lösbar", sagte er. Und: "Wir wollen kein Embedding in Eigenregie machen." Da hat man bei ARD und ZDF allerdings in den vergangenen Wochen andere Erfahrungen gemacht.
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