Unter dem schlichten (Arbeits-)Titel "Nürnberg" hat die ARD ein Dokudrama angekündigt, in dessen Mittelpunkt die Nürnberger Prozesse stehen, die am 20. November 1945 begonnen haben. Der Auftakt der Prozesse jährt sich demnächst also zum 80. Mal. Die Dreharbeiten haben gerade erst begonnen und laufen noch bis zum 12. April, einen Ausstrahlungstermin gibt es dementsprechend noch nicht. Der Film soll aber im Herbst 2025 im Ersten zu sehen sein - mutmaßlich irgendwann rund um den Jahrestag des Prozessauftakts.
Erzählt wird in dem Dokudrama die Geschichte der Nürnberger Prozesse - und das durch die Augen von zwei jungen Holocaust-Überlebenden. Der eine - Ernst Michel - ist als Reporter bei der Verhandlung dabei, die andere - Seweryna Szmaglewska - als Zeugin. Gespielt werden die beiden von Jonathan Berlin und Katharina Stark. Weitere Darsteller sind unter anderem Francis Fulton Smith als Hermann Göring und Wotan Wilke Möhring als dessen Anwalt Dr. Otto Stahmer. Zudem spielen Rony Herman (Bill Stricker), Max Schimmelpfennig (Witold Wisniewski), Franz Dinda (Willy Brandt) und Hendrik Heutmann (Stanislaw Piotrowski) in der Produktion mit.
Ergänzt werden die Spielszenen des Dokudramas durch neu restaurierte und kolorierte Archivbilder sowie durch Interviews mit Lauren Shachar, der Tochter von Ernst Michel, und Jacek Wisniewski, dem Sohn von Seweryna Szmaglewska. Autor des Dokudramas ist Dirk Eisfeld. Er hat bereits die Vorlage für das ARD-Dokudrama "Nazijäger - Reise in die Finsternis" geschrieben, das 2023 für einen International Emmy Award nominiert wurde. Sein Drehbuch basiert unter anderem auf dem Buch "Die Unschuldigen in Nürnberg" von Seweryna Szmaglewska. Als Regisseur inszeniert Carsten Gutschmidt die Spielszenen des Dokudramas.
Das Projekt entsteht im Auftrag aller ARD Landesrundfunkanstalten, die Federführung teilen sich NDR und BR. Produziert wird von Michael Souvignier und Till Derenbach (Zeitsprung Pictures) und Kay Siering (Spiegel TV). Der Weltvertrieb liegt bei OneGate Media. Ausführende Produzenten sind Michael Souvignier und Till Derenbach. Die Kameraarbeit verantwortet Jens Boeck. Die Redaktion liegt bei Marc Brasse (NDR) und Andrea Bräu (BR). Eine Förderung gab es von der nordmedia - Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen. Bereits im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass Christian Schwochow eine Serie über die Nürnberger Prozesse inszenieren soll, in diesem Fall steht Constantin Film hinter dem Projekt (DWDL.de berichtete).
Und so beschreibt die ARD die beiden Hauptfiguren: Ernst Michel (22) ist nicht nur der jüngste der internationalen Reporter, die den Prozess beobachten - er ist unter ihnen auch der einzige Holocaust-Überlebende. Vollkommen allein und getrieben vom Verlangen, die Mörder seiner Eltern und seiner Freunde auf der Anklagebank zu sehen, sitzt er jeden Tag im Auftrag der alliierten Nachrichtenagentur DANA im Saal 600 des Nürnberger Justizpalastes, nur sechs Monate, nachdem er der Hölle von Auschwitz und Buchenwald entkommen ist. Eines Tages überrumpelt Otto Stahmer, der Anwalt von Hermann Göring, Ernst Michel mit einem Angebot: Göring möchte den Reporter kennenlernen, der seine Berichte unterzeichnet mit "Ernst Michel, DANA Sonderberichterstatter, Auschwitz-Überlebender 104995". Ernst Michel ist der einzige unter all den teilweise weltberühmten Reporterinnen und Reportern, dem Göring dieses Angebot unterbreitet. 2006 sprach Michel mit dem "Spiegel" darüber.
Im Gericht ist ebenfalls Seweryna Szmaglewska (29). Auch sie ist eine Überlebende von Auschwitz - und eine von nur zwei polnischen Zeugen, die vor Gericht aussagen sollen. Nach ihrer Befreiung hat sie unverzüglich begonnen, ihre Erinnerungen an die Zeit im Konzentrationslager aufzuschreiben. Ihr Buch "Dymy nad Birkenau" ("Die Frauen von Birkenau") ist eine so detaillierte Darstellung der Vorkommnisse im KZ, dass die sowjetische Delegation bei den Nürnberger Prozessen es zum Teil ihrer Anklageschrift macht. Auch für Seweryna Szmaglewska wird ihr Aufenthalt in Nürnberg zur Qual. Tag für Tag treibt sie die Frage um, wie sie der Verantwortung gerecht werden soll, im Namen ihres gesamten Volkes auszusagen.