Frau Petersen, wenn wir auf Ihr erstes volles Jahr als Vox-Chefin zurückblicken: Sind Sie zufrieden mit dem Erreichten?
Ja. Das erste Jahr als Programmgeschäftsführerin bei Vox war nicht das einfachste, weil es mit den Olympischen Spielen in Paris und der Heim-EM von ganz besonderen Sportereignissen geprägt war. Ich blicke trotzdem insgesamt zufrieden zurück, weil wir ein gutes programmliches Angebot und Mut zu neuen Ideen hatten. Die Jahre zuvor lagen wir mit Vox sehr stabil bei über 6 Prozent Marktanteil. Diesen Vorsprung zu halten, ist uns leider aus genannten Gründen nicht gelungen, wir haben vor allem in den Sommermonaten deutlich Federn lassen müssen, auch gegen einen spektakulären Sommer-Dschungel. Umso mehr freut es uns, dass es unserer großen Schwester RTL dafür als einzigem Privatsender gelungen ist, Marktanteile hinzuzugewinnen und wir mit Vox aktuell wieder direkt dahinter auf Platz 2 liegen.
Und wie geht's jetzt weiter?
Wir wollen den aktuellen Vorsprung halten. Zum Beispiel mit spannenden Sozialdokumentationen. Wir hatten gerade erst einen sehr großen Erfolg mit der Familie Ritter in der „Stern TV Reportage“ am Mittwochabend – und werden in diesem Herbst nach zehn Jahren an den „Asternweg” zurückkehren. Mit dieser Urmutter der Sozialdokumentationen, ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis, haben wir damals schon bewiesen, dass Vox solche Themen anders angeht – und das mit Erfolg. Mit Doc Caro haben wir auch noch ein neues Format mit gesellschaftlicher Relevanz produziert, das schon am 30. April startet. In „Doc Caro – Leben Hautnah“ zieht sie jeweils für mehrere Tage in Einrichtungen, in denen Menschen mit besonderen sozialen oder gesundheitlichen Bedürfnissen leben und therapiert werden. Und wir strecken auch weiterhin die Fühler in diese Themenrichtung aus. Stabilität unserer Marktanteile bei wachsender Konkurrenz bleibt natürlich eine Herausforderung und wird begleitet von einer Transformation in der Nutzung. Deshalb freuen wir uns, dass Vox auch auf RTL+ sehr gefragt ist. Wir konnten im letzten Jahr mit unseren Formaten einen neuen Nutzungsrekord auf unserem Streamingdienst verbuchen und sind auch in diesem Jahr wieder auf Rekordkurs.
Und konkret: Was sind die meistgenutzten Vox-Formate bei RTL+?
„Goodbye Deutschland“ und die „Shopping Queen“ sind auch non-linear absolute Dauerbrenner. Weitere Daily-Formate wie „First Dates“, „Zwischen Tüll und Tränen“ und „Das perfekte Dinner“ funktionieren ebenfalls sehr gut auf RTL+. Weit vorne ist natürlich auch „Kitchen Impossible“. Am 27. April startet die Jubiläumsstaffel, bei der es zum lang ersehnten Aufeinandertreffen von Tim Mälzer und Jamie Oliver kommt. Außerdem werden mit Sido und Marteria zwei prominente Hobbyköche dabei sein. Das wird eine Knallerstaffel. Bewährte Marken, dazu würde ich auch bewährte Talents zählen, sind nach wie vor ein Magnet und ein Grund uns einzuschalten oder RTL+ zu nutzen. Davon haben wir bei Vox viele.
Das klingt so, als bräuchte Vox keine Erneuerung…
Natürlich ist es unser Anspruch, unseren Zuschauer:innen ein frisches uns innovatives Programm anzubieten, daran arbeiten wir ständig. Es ist zum Beispiel unser strategischer Ehrgeiz, mindestens einmal im Jahr eine neue Idee mit Public Value umzusetzen. Bei allen Neu-Entwicklungen ist es uns wichtig, dabei den Vox-Markenkern nicht zu verlieren. Tim Mälzer und seine neuen Projekte bei uns sind dafür ein gutes Beispiel. Genau wie die Weiterentwicklung von etablierten Marken wie „Die Höhle der Löwen“.
Welche neuen Projekte planen Sie mit Tim Mälzer?
Die „Herbstresidenz“ ist ein neues Projekt, mit dem wir gerade sehr glücklich sind. Das kann nur Vox.
Was genau?
Schwer verdauliche Themen nicht als Betroffenheitsfernsehen umzusetzen, auch nicht den Zeigefinger zu erheben, sondern unterhaltsam zu vermitteln - das hat aus meiner Sicht die größte Wirkung. Diesen Erfolg finde ich noch schöner als Fernsehpreise, die wir aber natürlich auch gerne entgegennehmen (lacht). Diese so besondere Programmfarbe ist bei Tim Mälzer und André Dietz hervorragend aufgehoben. Wir zeigen das Leben im Altenheim, mit ganz wunderbaren Menschen und sehr authentischen O-Tönen - aber z.B. auch den Tod einer Bewohnerin. Das geht sofort unter die Haut – und deckt sich nicht mit normalen Fernsehregeln. Das sind Momente, in denen man das Handy zur Seite legt. Wir bringen in dem Format alte Menschen und Menschen mit Behinderung zusammen – zwei vermeintlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen, die sich gegenseitig stärken, dass einem warm wird ums Herz. Ich bin da vielleicht ein bisschen befangen, wenn ich sage: Gerade in Zeiten wie diesen ist so ein Programm bei Vox so wertvoll wie nie.
"Dass auch der Tod zum Leben dazu gehört, kennt das Vox-Publikum ja schon aus anderen Erfolgsformaten"
Und das könnte man sogar noch etwas eher als das eher projekt-getriebene „Schwarzwälder Hirsch“ auch fortsetzen…
Morgen läuft erstmal die letzte Folge dieser Staffel. Danach schauen wir uns das in Ruhe an. Es wird aber auf jeden Fall noch ein Recap geben, in dem wir schauen, wie sich unser Projekt weiterentwickelt hat. Beim „Schwarzwälder Hirsch“ standen wir vor der gleichen Frage nach einer Fortsetzung. Das war zwar ein mehrfach preisgekröntes, aber eben ein einmaliges Projekt, das man nicht einfach so wiederholt. Also haben mein Kollege Marcel Amruschkewitz und sein Team gemeinsam mit der Produktionsfirma Vitamedia überlegt, wie wir einen neuen Ansatz finden können – und haben mit der „Herbstresidenz“ einen gefunden, der sich auf dem Papier vielleicht gar nicht unbedingt für einen entspannten Fernsehabend empfiehlt, aber die Zuschauer:innen unglaublich berührt. Und dass auch der Tod zum Leben dazu gehört, kennt das Vox-Publikum ja schon aus anderen Erfolgsformaten.
Sie spielen an auf „Club der roten Bänder“?
Ja, ich freue mich sehr auf die Rückkehr des „Clubs“ im nächsten Jahr und bin gespannt, wie Hauke Bartel und sein Team die Marke zusammen mit der Bantry Bay neu aufladen werden. Dass sie viel Fingerspitzengefühl besitzen, haben sie bereits bewiesen und es wird sicher auch in der neuen Staffel wieder ein Gänsehautgefühl entstehen.
Wer macht Ihnen mehr Konkurrenz: Sat.1 oder die Öffentlich-Rechtlichen, gerade wenn es um Social Factuals geht?
Sehr gute Frage. Es gibt ja auch einige, die Vox als den „Öffentlich-Rechtlichsten unter den Privatsendern“ wahrnehmen. Da ist insbesondere bei den 14- bis 59-Jährigen das ZDF natürlich schon eine Konkurrenz.
Dort probiert man mit „Race across the world“ jetzt sogar Reality, kommt dem Privatfernsehen näher. Welche Rolle spielt das Genre für Sie?
Wir haben schon Einiges ausprobiert, ich persönlich bin auch Reality-Fan. „First Dates“ bzw. „First Dates Hotel“ sind starke Vox-Marken mit echter Reality, die toll zu uns passen. Die „Princess Charming“, die ebenfalls von unserer Vox-Redaktion betreut und übrigens gerade mit unserer neuen Prinzessin Vanessa Borck aka „Nessiontour“ produziert wird, ist mit der neuen Staffel aber auf RTL+ perfekt aufgehoben.
Bedauern Sie, dass der „Golden Bachelor“ dann doch nicht in der Vox-Primetime lief?
Ich mag das Format persönlich sehr, aber ein möglicher Erfolg bei Vox ist schwer einzuschätzen. Es hätte bei uns eventuell eine gute Ergänzung zum „First Dates Hotel“ sein können, wo sich ja auch häufig ältere Singles daten. Aber vielleicht hätte es die klassische „Bachelor“-Struktur – die auf dem „Hahn im Korb“-Prinzip basiert - bei uns in der Primetime auch schwer gehabt.
"Ich glaube, es entspricht den Entwicklungen im Markt, dass Exklusivitäten auch mal aufgelockert werden."
Mit „Sing meinen Schlager“, „Deutschland grillt den Henssler“ oder „The Piano“ ist im letzten Jahr Einiges nicht gelaufen wie erhofft. Haben Sie das analysiert?
Selbstverständlich haben wir uns darüber einige Gedanken gemacht. Mit „Sing meinen Schlager“ sind wir ursprünglich auf den hart umkämpften Sonntagabend gegangen. Da mussten wir aber feststellen, dass es den Leuten vor dem Start in die Arbeitswoche an der Muße für eine lange Musikshow fehlt. Wir finden die Sendung aber nach wie vor gut und überlegen, ob wir sie noch mal an anderer Stelle platzieren. Aber ja, die Quoten waren natürlich nicht zu unserer Zufriedenheit. Auch die Klaviermusik bei „The Piano“ war trotz anfänglich guter Marktanteile auf Staffel-Strecke nicht laut und erfolgreich genug. Musik bleibt dennoch bei Vox immer ein wichtiges Thema. „Sing meinen Song“ hat im letzten Jahr mit unserem ersten Gaststar Peter Maffay zum Beispiel wieder besonders gut funktioniert. Und wir freuen uns schon sehr auf die neue Staffel, die wir gerade aufgezeichnet haben – dieses Mal mit den tollen „Fanta 4“ als Special Guests. Auch das Thema Kochen bleibt für Vox enorm wichtig. Bei „Deutschland grillt den Henssler“ hat unser komplexeres Turniersystem nicht ganz so verfangen wie erhofft. Der Wettkampf der Regionen, das spiegelt uns die Medienforschung wider, kam allerdings gut an. Also schauen wir jetzt mal, was wir daraus machen.
Steffen Henssler bleibt weiterhin ein Vox-Gesicht, auch wenn er bei „The Taste“ auf Sat.1 dabei sein wird?
Ich glaube, es entspricht den Entwicklungen im Markt, dass Exklusivitäten auch mal aufgelockert werden. Ab und zu gestatten wir unseren Vox-Talents auch ein Auswärtsspiel. Die TV-Heimat von Steffen ist und bleibt aber Vox und das ist auch gut so. Wir entwickeln gerade auch nochmal ganz frische Formatideen mit ihm.
Wir sprachen viel über die Primetime. Gibt es in der Daytime Handlungsbedarf? Sind Sie nach wie vor zufrieden mit „Shopping Queen“ und Co. oder sind da Veränderungen geplant?
Natürlich modifizieren und optimieren wir unsere Daily-Formate kontinuierlich. Mit ihrer Performance sind wir zufrieden, auch mit Blick auf ihre hohe Nutzung auf RTL+. Und was man in dem Kontext erwähnen sollte, weil es ja quasi ein Spin-Off ist: Die „Deko Queen“ mit Guido Maria Kretschmer hat uns gerade in letzter Zeit mit teilweise zweistelligen Marktanteilen unheimlich viel Freude gemacht. Darüber hinaus sind die von uns entwickelten „Dekoprofis“ in der letzten Woche mit einer neuen Staffel gestartet und konnten gleich Rekorde in allen Zielgruppen verbuchen.
Sie sprachen vorhin von neuen Projekten mit Tim Mälzer, gibt es da schon etwas Konkretes?
Ja. Wir freuen uns sehr auf sein brandneues Format: „Mälzers Meisterklasse“. Da hat gerade die Produktion begonnen. Nachdem er sich bei der „Herbstresidenz“ in einem ganz anderen Kontext gezeigt hat, ist er jetzt wieder bei seiner Kernkompetenz – mit einer sehr intrinsischen Motivation: Er sucht als Coach und Mentor zusammen mit 3-Sterne-Koch Jan Hartwig aus einer Gruppe mit 12 Gastro-Profis, ausgebildeten Köch:innen und ambitionierten Autodidakten einen besonderen „Charakter-Koch“. Ein neuer Wettbewerb nach voxiger Mälzer-Art. Produziert von Potatohead Pictures.
Henssler bleibt also, dazu neue Projekte mit Mälzer….
Man könnte denken, Köche haben wir genug bei Vox und viele Köche verderben den Brei – aber das gilt bei uns ganz sicher nicht. Wir haben ja auch noch mit Sebastian Lege „Lege kommt auf den Geschmack“ erfolgreich etabliert und mit Roland Trettl einen weiteren Spitzenkoch und wunderbaren Dating-Host.
Sie sprachen auch von einer Weiterentwicklung von „Die Höhle der Löwen“. Wie sieht die aus?
Bei „Die Höhle der Löwen“ sind wir gerade in einem sehr kreativen Prozess mit dem neuen und zugleich bewährten Team von EndemolShine Germany, die wirklich Vollgas bei der Produktion geben. Wir hatten gemeinsam tolle Workshops, auch mit den Löwinnen und Löwen selbst. Denn auch sie haben ein großes Interesse daran, dass wir das Beste aus der starken Marke herausholen. Es gibt viele kreative Ideen und klar ist auf jeden Fall: „Die Höhle der Löwen“ wird ab der Herbst-Staffel anders aussehen, es wird nicht nur einige Veränderungen am Set sondern auch in der Besetzung geben. Es ist eine Mischung aus „back to basic“, also dem was man am Format liebt, mit ganz neuen Akzenten. Und was uns auch ganz wichtig ist: Die Löwen zeigen noch mehr Biss, nicht nur fürs Entertainment, sondern auch fürs Business.
Frau Petersen, herzlichen Dank für das Gespräch