Am Ende des Gesprächs mit DWDL.de demonstrierte Henrik Pabst in dieser Woche eine ungewohnte Einigkeit mit RTL. Die Idee einer Umstellung auf eine X+7-Ausweisung der Quoten, also die Reichweite der TV-Ausstrahlung und Abrufzahlen der ersten sieben Tage zu addieren, würde man mittragen, erklärte der Chief Content Officer von ProSiebenSat.1. "Da sind wir uns einig mit den Kollegen aus Köln, die das ja ebenso begrüßen würden. ProSiebenSat.1 wäre dabei."

Bei dem Vorstoß, lineare und zeitunabhängige Nutzung zusammenzuführen, sucht man nun allerdings den öffentlichen Schulterschluss mit dem größten Konkurrenten – wohl auch, weil angesichts allgemein sinkender linearer TV-Reichweiten der Wunsch wächst, das im Gegenzug steigende On-Demand-Wachstum besser darstellen zu können, um den Werbekunden die eigenen Umfelder vor dem Hintergrund der stärker werdenden Streamer aus Übersee, die inzwischen ebenfalls um Werbegelder buhlen, auch in Zukunft schmackhaft zu machen.

Er selbst habe den Gedanken bereits an verschiedenen Stellen eingebracht, "aber leider gibt es noch nicht genügend Mitstreiter", betonte Schmitter zu Jahresbeginn. "Dabei wäre es richtig, wichtig und würde die Relevanz der klassischen Medienhäuser auf einen Schlag deutlich stärken." Nun hat der RTL-Chef mit ProSiebenSat.1 einen solchen Mitstreiter gefunden – und zugleich einen sehr mächtigen.
Es ist ein Signal, das auch bei der für die Quotenmessung verantwortlichen AGF angekommen ist – verbunden mit einigem Erstaunen, immerhin wurden mögliche Anpassungen bereits vor zwei Jahren diskutiert, als man gerade dabei war, den Bewegtbildstandard zu verändern. "Die Quote am Morgen danach hat eine Aussagekraft über den linearen TV-Konsum des Vortages, aber das ist für den Erfolg von Programmen inzwischen oft nur eine erste wichtige Indikation. Das liegt an veränderten Nutzungsgewohnheiten und den daher inzwischen auch veränderten Veröffentlichungsstrategien", erklärte Kerstin Niederauer-Kopf, Geschäftsführerin der AGF, schon im Januar 2023 gegenüber DWDL.de.
"Das Thema wurde wieder aufgenommen"

Der nächste Schritt sei zunächst die Klärung der Anforderungen in den Gremien und mit Dienstleistern. "Viele Dateninhalte sind bereits vorhanden, zum Teil sogar umfangreicher und werden auch schon dargestellt. Gleichzeitig gibt es auch viele neue Projekte, wie beispielsweise die Integration von Rückkanaldaten, die es zu überprüfen gilt. Da wir unterschiedliche Messungen im Einsatz haben, müssen diese dann aufeinander abgeglichen werden", erklärt Kerstin Niederauer-Kopf und verweist darauf, dass eine Umstellung Anpassungen der Datenproduktionsstrecken und gegebenenfalls der Gewichtung erfordern könnte. Zudem könnten sie einen Impact auf die Modelle für die Streaming- und Display-Nutzung, den sogenannten "X-Reach", haben.
"Auch die bestehenden Konventionen müssten überprüft werden, zumal wir den Bewegtbildstandard kürzlich erst eingeführt haben", so die AGF-Geschäftsführerin weiter. "Hier sind umfangreiche Prüfungen notwendig, ob eine erneute Anpassung wirklich gewünscht ist. Darüber hinaus ergeben sich im Bereich der Digitalmessung sicherlich auch Anforderungen für die Anbieter selbst. Zudem müssen wir auch neue Ansätze, die sich auf Realtime-Nutzung/Programmatische Ansätze fokussieren und die gerade in die Teststrecken gehen, sehr deutlich auf Konsistenz und Machbarkeit prüfen."
Klar ist: Einfach nur den Schalter umzulegen, wird nicht möglich sein. Das Momentum, derartige Anpassungen, wie sie den Verantwortlichen von RTL und ProSiebenSat.1 jetzt plötzlich vorschweben, längst in die Realität umzusetzen, wurde in den vergangenen Jahren verpasst. Und doch scheint die Branche einer Addierung von TV-Reichweite und Abrufzahlen der ersten sieben Tage näher zu sein denn je.