ProSiebenSat.1 in Unterföhring © Seven.One/Markus Brönner
Zwei große Themen hatte ProSiebenSat.1 bereits im Vorfeld der Veröffentlichung der Geschäftszahlen und der anschließenden Bilanz-Pressekonferenz abgeräumt. Am Mittwoch beendete der Konzern nicht nur die umstrittene Einbettung der Mediatheken von ARD und ZDF bei Joyn, man gab auch bekannt, sich in Gesprächen mit General Atlantic zu befinden, um die Verkäufe von Beteiligungen künftig einfacher zu gestalten. 

Die Geschäftszahlen fielen dann auch erwartbar unspektakulär aus (DWDL.de berichtete). Viel wichtiger war der Ausblick: Welche Maßnahmen unternimmt die Konzernführung, um die Sendergruppe wieder auf Kurs zu bringen? Die Aussichten waren nicht besonders rosig. Trotz des starken Wachstums von Joyn geht man von einer in Summe bis 2029 konstant sinkenden Watchtime aus. CEO Bert Habets und Finanzchef Martin Mildner haben anlässlich der Gesamtsituation ein neuerliches Sparpaket vorgestellt: 80 Millionen Euro will man brutto alleine in diesem Jahr einsparen. Ab 2026 soll diese Summe auf mehr als 100 Millionen steigen, weil dann das gesamte Jahr von den Sparanstrengungen umfasst ist. 

Konkrete Zahlen zum geplanten Stellenabbau nannte Bert Habets am Donnerstag auch deshalb nicht, weil er den Gesprächen mit dem Betriebsrat, die vor einer Woche begonnen haben, nicht vorgreifen wolle. Man werde aber nicht nur die Personalkosten, sondern auch Materialkosten und andere Kostenfaktoren reduzieren. "Alles wird geprüft", erklärte Habets vor Journalistinnen und Journalisten. Gleichzeitig erklärte er, er sehe einen "großen Spielraum für Verbesserungen". 

80 Millionen Euro Einsparungen in 2025

Klar ist schon heute: Ein Großteil der Einsparungen entfällt auf die Entertainment-Sparte. Alleine hier sollen 70 Millionen Euro eingespart werden, das sind ungefähr 15 Prozent der Kosten, die ProSiebenSat.1 direkt beeinflussen kann. Weitere 10 Millionen sind es im Bereich Dating und Video, der sich schon seit längerer Zeit schlecht entwickelt. Den TV-Werbemarkt bezeichnete Habets am Donnerstag als "schwach", vor allem das letzte Quartal sei unter den Erwartungen geblieben. Alleine in den letzten drei Monaten des Jahres 2024 sanken die Werbeeinnahmen von ProSiebenSat.1 im Jahresvergleich um satte 10 Prozent. 

Gleichzeitig sieht Habets ProSiebenSat.1 in Sachen Joyn auf einem guten Weg. Alle wichtigen Kennzahlen würden steigen, so der CEO, der dann auch nochmal das bekannte Ziel beschwor, die Streamingplattform zu stärken. Joyn werde künftig der Haupttreiber des Umsatzwachstums von ProSiebenSat.1 sein, so Habets. Dabei habe man auch noch viele Ideen, neue Umsatzquellen zu erschließen - der Manager nannte dabei auch den SVoD-Bereich, der bei Joyn bislang nur eine Nebenrolle spielt. Klar ist aber, dass AVoD bei Joyn auch in Zukunft die wichtigste Erlösquelle ist. Darüber hinaus hat Habets angekündigt, das Geschäft rund um Seven.One Studios ausbauen zu wollen, möglich sind demnach auch Übernahmen im deutschsprachigen Raum. 

In Sachen Beteiligungsverkäufe hatten Habets und Mildner am Donnerstag nicht mehr viel Neues im Gepäck. Sie verwiesen darauf, dass die Gespräche zu den angestrebten Verkäufen von flaconi und Verivox laufen würden. Der Finanzchef zeigte sich auf DWDL.de-Nachfrage optimistisch, im vor rund einem Jahr kommunizierten Zeitrahmen zu bleiben. Damals war die Rede davon, die Beteiligungen innerhalb von 12 bis 18 Monaten zu verkaufen - das wäre irgendwann im kommenden Herbst. Die Großaktionäre MFE und PPF drängen ProSiebenSat.1 seit einiger Zeit dazu, die Beteiligungen, die nicht aufs Kerngeschäft Unterhaltung einzahlen, loszuwerden. 

Ein geplanter Verkauf von Verivox an ein italienisches Unternehmen war zuletzt aber auch wegen der komplexen Gesellschafterstruktur schwierig. ProSiebenSat.1 kann nicht alleine verkaufen, sondern braucht den Segen von General Atlantic (GA). Also dem Finanzinvestor, der ebenfalls an der NuCom Group beteiligt ist - der Commerce & Venture Sparte von ProSiebenSat.1. Um den gordischen Beteiligungsknoten zu durchschlagen, haben die Unternehmen einen groben Plan gefasst: ProSiebenSat.1 könne die Minderheitsbeteiligung von GA an der NuCom Group und der ParshipMeet Group übernehmen, wobei die Beteiligungen an Verivox und flaconi dabei ausgenommen sind. Dafür könnte GA im Gegenzug an ProSiebenSat.1 beteiligt werden. 

Was würde ein Deal mit General Atlantic bedeuten? 

Eine Transaktion setzt aber voraus, dass mindestens Verivox oder flaconi verkauft wird. Sofern zunächst nur eine der beiden Beteiligungen verkauft wird, würde General Atlantic seine Minderheitsbeteiligung an der nicht veräußerten Gesellschaft voraussichtlich künftig direkt und nicht wie bisher mittelbar über die NuCom Group halten. Klar ist aber auch: Kommt es zu keinem Verkauf, bleibt alles beim Alten. Überhaupt steht noch vieles in den Sternen. Der Deal sei "noch lange nicht zu Ende verhandelt", erklärte Martin Mildner am Donnerstag. Bekannt wurde der Plan überhaupt erst, weil ProSiebenSat.1 die Überlegungen am Mittwochabend per Ad-hoc Mitteilung öffentlich machen musste. Journalisten von Reuters hatten Wind davon bekommen. 

Man arbeite sehr intensiv daran, eine Lösung mit GA zu finden, so Mildner, der sich von einem Deal mehr Beinfreiheit verspricht. Sprich: Die gehaltenen Beteiligungen könnten in einem zweiten Schritt möglicherweise unkomplizierter verkauft werden, wenn GA kein Veto mehr einlegen kann. Aber: Das alles würde wohl nochmal Zeit kosten. Zeit, die ProSiebenSat.1 nach Ansicht der Großaktionäre nicht mehr hat. Und es würde auch an einem grundsätzlichen Problem nichts ändern: Potenzielle Interessenten für bestimmte Beteiligungen wissen um den Druck, der auf der Sendergruppe herrscht. Maximale Verkaufserlöse sind wohl auch so nicht zu realisieren. 

Eine "Poison Pill" für MFE, sollte GA zu einem Anteilseigner von ProSiebenSat.1 werden, wollte CFO Martin Mildner auf Nachfrage eines Journalisten übrigens nicht erkennen. Gleichzeitig konnte er nicht sagen, wie viele Anteile an ProSiebenSat.1 GA künftig halten könnte - es wäre eine wichtige Information, nicht zuletzt für die beiden Großaktionäre. Sollte ProSiebenSat.1 für den Deal neue Aktien ausgeben bzw. eine Kapitalerhöhung planen, müsste das wohl von der Hauptversammlung genehmigt werden. Dort sind MFE und PPF übermächtig und es ist kaum vorstellbar, dass sie eine Verwässerung ihrer Anteile hinnehmen. 

Überhaupt ist unklar, welche Pläne die Gesellschafter MFE und PPF in unmittelbarer Zukunft mit ProSiebenSat.1 haben. Die Italiener stehen an der Schwelle von 30 Prozent der Anteile und müssten bei einem weiteren Zukauf ein Übernahmeangebot machen. Und im Herbst läuft der Vertrag von CEO Bert Habets aus. Seine Zukunft hängt wohl nicht zuletzt mit den erzielten Erfolgen bei den Beteiligungsverkäufen zusammen - hier ist aktuell aber eben noch wenig passiert. 

Habets will CEO bleiben, aber darf er auch? 

Bert Habets machte am Donnerstag auf der Bilanz-Pressekonferenz aber keinen Hehl daraus, dass er gerne auch über den Herbst hinaus CEO bleiben würde. "Ich glaube nicht, dass meine Reise zu Ende ist", sagte er und bestätigte entsprechende "konstruktive Gespräche" mit dem Aufsichtsrat. Dem Aufsichtsrat wohlgemerkt, in dem MFE und PPF 2024 die Macht an sich gerissen haben. Und weiter: "Ich bin zuversichtlich, was den Ausgang dieser Gespräche angeht."

Gut möglich, dass es noch vor der Hauptversammlung im Mai eine Entscheidung in Sachen Habets-Vertrag geben wird. Ein Showdown vor Ort ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Es ist üblich, derartige Personalien mit Vorlauf zu klären. Sollte Habets nicht weitermachen, müsste man sich schließlich nach einem Nachfolger umschauen. Dass in Sachen Beteiligungsverkauf bislang noch nicht sonderlich viel vorangegangen ist, lasten die Großaktionäre auch Bert Habets an. Andererseits wissen sie auch, dass der CEO den Konzern in schwierigen Fahrwasser übernommen hat. Die Frage wird vor allem sein: Reicht das, was Habets angekündigt hat? Und wenn nicht: Wer könnte es möglicherweise besser machen?  

In die Karten spielen könnte Habets, dass Aufsichtsratschef Andreas Wiele abtritt. Die beiden gelten als vertraut. Und dennoch ist es eine zusätzliche Herausforderung, wenn nicht nur ein neuer Chef des Aufsichtsrats im Amt ist, sondern auch ein neuer CEO. Will Habets aber tatsächlich weitermachen, wird er liefern müssen - und das eher heute als morgen. Es braucht perspektivisch wieder eine echte Wachstumsgeschichte - und vor allem schnelle Erfolge bei den Beteiligungsverkäufen.

Nach der Vorstellung der Zahlen 2024 und der Prognose samt Sparpaket rauschte die ProSiebenSat.1-Aktie jedenfalls erst einmal zeitweise um mehr als 11 Prozent in den Keller. Nach Vertrauen der Märkte sieht das jedenfalls nichts aus.