Neues Kapitel im Streit zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und ProSiebenSat.1: Einen Tag vor der Vorlage der Geschäftszahlen für das abgelaufene Jahr inklusive Bilanz-Pressekonferenz hat ProSiebenSat.1 jetzt die Mediatheken von ARD und ZDF auf Joyn wieder entfernt. Dort waren die Inhalte der Öffentlich-Rechtlichen seit rund vier Wochen eingebunden - sehr zum Missfallen von ARD und ZDF, die auch juristisch dagegen vorgingen. Jetzt ist die Rede von einem Ende des Beta-Tests, mit dem man das Embedding zuletzt erklärt hatte. 

Vor allem bei der ARD wehrte man sich stark gegen das Vorgehen in Unterföhring. Der ARD-Vorsitzende Florian Hager sprach von "Raubrittertum" und einem "Anschlag auf das komplette System". Ein Vorwurf, den man sich bei ProSiebenSat.1 nicht gefallen lassen wollte. Dort wähnte man sich auf der rechtlich sicheren Seite und verwies auf die Rechtsprechung des EuGH in Sachen Embedding. Auch ein entsprechendes Gutachten hatte man im Gepäck. 

Markus Breitenecker, Chief Operating Officer und Vorstandsmitglied bei ProSiebenSat.1, erklärte vor Journalistinnen und Journalisten, es habe von den Öffentlich-Rechtlichen zum Embedding der Mediatheken kein "klares ‘Nein’" gegeben. Bei der ARD sah man das ganz anders. Die Ablehnung folgte nach der Aktion aber umso energischer. 

Nun hat der Spuk also ein vorläufiges Ende gefunden. Wer in den Mediatheks-Bereich von Joyn geht, findet die dort zuvor sehr prominent platzierten Angebote von ARD und ZDF nicht mehr. "Kooperation statt Konkurrenz: Joyn und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nehmen konkrete Gespräche über eine zukünftige Zusammenarbeit auf. Im Zuge dessen schaltet Joyn das vorläufige Beta-Testing auf der Streamingplattform ab. Denn auch wenn wir davon überzeugt sind die rechtliche Grundlage dafür zu haben - sind wir vielmehr darauf bedacht, den Geist echter Kooperation zu leben und gemeinsam umzusetzen", heißt es von ProSiebenSat.1 gegenüber DWDL.de. 

Antrag auf einstweilige Verfügung

In den vergangenen Tagen war es in der Sache merklich ruhiger geworden. Zu einem für Ende Februar in Aussicht gestellten Treffen wollten sich weder ProSiebenSat.1 noch die ARD äußern. Das ZDF teilte allerdings noch am Mittwoch gegenüber DWDL.de mit, dass man am vergangenen Freitag beim Landgericht München I einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Joyn gestellt habe. Auch die ARD kündigte ähnliche Schritte an, auch wenn man sich dazu zuletzt nicht mehr äußern wollte. Gut möglich also, dass der rechtliche Druck in der Sache auf ProSiebenSat.1 zu groß wurde - und es eben nicht nur das schlichte Ende des Beta-Tests, in der Hoffnung auf gute Gespräche, war. 

"Wir nehmen die Beendigung des sogenannten 'Beta-Testings' positiv zur Kenntnis und werten sie ungeachtet der weiterhin unterschiedlichen Rechtspositionen als Beitrag zu einer guten Gesprächsatmosphäre", heißt es jetzt von einem ARD-Sprecher gegenüber DWDL.de. "Wir sind weiterhin ausdrücklich offen und bereit für Kooperationen im geltenden rechtlichen Rahmen und im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags." Das ZDF teilt auf Anfrage mit: "Wir nehmen zur Kenntnis, dass ProSiebenSat 1 die Integration der Inhalte der ZDFmediathek in die Plattform Joyn offenbar wieder rückgängig gemacht hat. Förmlich informiert wurden wir darüber bislang nicht." 

Wie langfristig die ganze Sache nun ist, bleibt abzuwarten. Ob sich ProSiebenSat.1 mit den Öffentlich-Rechtlichen einigen wird, ist unklar. Das vom Konzern favorisierte Embedding lehnten ARD und ZDF bislang strikt ab. Und dann ist da ja auch noch der von der Medienpolitik beschlossenen Reformstaatsvertrag. In dem ist festgeschrieben, dass Private und Öffentlich-Rechtliche künftig kooperieren sollen - auch das Embedding wird dort erwähnt. Noch ist dieser Reformstaatsvertrag aber gar nicht in Kraft. Und ob es ARD und ZDF in Zukunft unter dem neuen Gesetz hinnehmen müssen, dass ihre Inhalte ohne Einverständnis auch auf anderen Plattformen eingebunden werden, ist ebenfalls noch nicht restlos geklärt.

Die Inhalte der Öffentlich-Rechtlichen waren, während sie auf Joyn verfügbar waren, nicht vermarktet. Und die Klicks, die sie generiert haben, gingen nicht auf das Konto von Joyn, sondern von ARD bzw. ZDF. Dennoch hätte Joyn natürlich davon profitiert, hätte man alle Inhalte der Öffentlich-Rechtlichen auf der eigenen Plattform einbinden können. Man wäre dem selbstgesteckten Ziel, zur wichtigsten Streamingadresse in Deutschland zu werden, einen wesentlichen Schritt näher gekommen. Und natürlich hatte man auf Abstrahleffekte auf eigene, vermarktbare Programme gehofft, wenn plötzlich viele Userinnen und User ARD/ZDF-Inhalte auf Joyn geschaut hätten. 

Für ProSiebenSat.1 ist die neueste Entwicklung jetzt ein Rückschlag. Dort hatte man sich durch das Einbetten der Mediatheken von ARD und ZDF Rückenwind für Joyn erhofft - so wie man das auch schon in Österreich gemacht hat. Dort ist Joyn tatsächlich eine Art Superstreamer - mit Inhalten, sowohl live als auch on demand, von ProSiebenSat.1, ORF, ServusTV und vielen anderen Anbietern. Anders als ARD und ZDF wehrte sich der ORF nicht gegen das Vorgehen von Markus Breitenecker. Er hoffte, dass die deutschen Öffentlich-Rechtlichen sein Vorgehen ebenfalls dulden würden - sie taten es nicht. Das letzte Wort in der Sache ist aber mit Sicherheit noch nicht gesprochen. Die in Zukunft stattfindenden Gespräche können aber nach dem heutigen Tag immerhin wieder in einer halbwegs guten Atmosphäre stattfinden. 

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