Der Hessische Rundfunk (HR) hat nun doch die wesentlichen Teile des von der Kanzlei Feigen Graf durchgeführten Untersuchungsberichts in der Causa "Hallo Hessen" veröffentlicht. Zur Erinnerung: Die Professorin Haya Schulmann warf der Moderatorin Selma Üsük vor, sie in einem Vorgespräch zu einem Interview antisemitisch beleidigt zu haben. Als Schulmann auf die Frage der Moderatorin, woher ihr Vorname kommen, mit "Israel" antwortete, soll Üsük mit einem "Bääh" reagiert und ihr die Zunge herausgestreckt haben.
Schon Mitte Februar gab der HR die Ergebnisse des Untersuchungsberichts bekannt. Demnach sei die Beleidigung möglicherweise wahrgenommen worden, aber tatsächlich nicht erfolgt. Der Sender sah kein Fehlverhalten der eigenen Moderatorin - was wiederum auf Unverständnis bei Haya Schulmann traf (DWDL.de berichtete). Wohl auch deshalb hat sich der HR nun dazu entschieden, Teile des Berichts in anonymisierter Form zu veröffentlichen. Bis zuletzt war nicht klar, worauf sich das "Bääh" der Moderatorin sonst bezogen haben sollte.
Durch die Veröffentlichung der wesentlichen Punkte im Untersuchungsbericht gibt es nun zumindest in einigen Teilen der Sache Klarheit. So konnten alle befragten Personen zwar bestätigen, dass im zeitlichen Zusammenhang mit der Antwort "Israel" ein Laut durch die Moderatorin ausgestoßen worden sei, niemand will aber ein "Bääh" gehört haben. Einige haben demnach ein "Mmhmm" vernommen, andere wiederum ein "Ah", "Äh" oder "Aha". Alle anderen Personen, die die Situation mitbekommen haben, hätten die Reaktion als "registrierend" oder "zur Kenntnis nehmend" wahrgenommen. Zwei Mitarbeiter gaben außerdem an, die Moderatorin habe sich zu dem Zeitpunkt bereits in ihren Moderationskarten vertieft und sei möglicherweise schon mit dem nächsten Thema beschäftigt gewesen. Mehr zum Thema
Auch der Vorwurf der rausgestreckten Zunge konnte die Kanzlei im Untersuchungsbericht nicht beweisen - im Gegenteil. Das ist der Teil, bei dem der HR bereits kommunizierte, Haya Schulmann hätte Teile der Vorwürfe nicht mehr aufrechterhalten. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Im Gespräch mit Feigen Graf habe die Professorin die Zunge "im Mund liegend deutlich gesehen" beschrieben - also eben nicht rausgestreckt. Andere befragte Personen wiesen diesen Vorwurf "mit Nachdruck" zurück. Schulmann selbst erklärte vor einigen Tagen auf LinkedIn zu dieser Wahrnehmung: "Wichtig ist einzig die Abscheu, die die Geste ausdrückt."
Die Behauptung von Schulmann, ihr Mann habe "das ganze direkt mitgehört und gesehen", verneint die Kanzlei ziemlich eindeutig. Schulmann habe während des Gesprächs AirPod-Kopfhörer getragen, "sodass der Audioausgang nicht nach draußen gelang". Für den Ehemann sei das Bild stumm gewesen. Sowohl Schulmann als auch ihr Mann hätten in dem mit der Kanzlei geführten Interview bestätigt, dass er keine Äußerungen der Moderatorin wahrgenommen habe.
In der Summe kommt Feigen Graf im Untersuchungsbericht zum Ergebnis, dass die angebliche Beleidigungen durch Selma Üsük "nicht erfolgten". Zugleich sei davon auszugehen, dass Schulmann und ihr Ehemann eine Reaktion der Moderatorin in "engem zeitlichen Zusammenhang mit der Nennung der Herkunft des Vornamens [...] wahrnehmen und dies missverständlich als beleidigend bzw. missbilligend auffassten."
"Bin mir keinerlei Fehlverhaltens bewusst"
Haya Schulmann hat sich noch nicht zur Veröffentlichung des Untersuchungsberichts geäußert. In der vergangenen Woche schrieb sie bei LinkedIn aber von einer "kafkaesken Aufklärung" und warf der Kanzlei vor, nicht unabhängig zu sein. Damals kritisierte sie auch, dass der HR die Ergebnisse des Untersuchungsberichts unter Verschluss halte - zumindest hier hat der Sender nun reagiert und für Klarheit gesorgt.
In einer Pressemitteilung betont der HR noch einmal, dass die "unabhängige, ergebnisoffene Untersuchung" kein Fehlverhalten von Selma Üsük sehe. "Eine Beleidigung ist nicht erfolgt". Und auch die Moderatorin selbst äußert sich zur Sache. Sie sagt: "Die Vorwürfe haben mich zutiefst erschüttert, sie belasten mich und meine Familie seit Wochen schwer. Ich bin mir keinerlei Fehlverhaltens bewusst. Das Ergebnis der unabhängig durchgeführten Untersuchung bestätigt eindeutig, dass es kein Fehlverhalten gibt. Ich verstehe bis heute nicht, wie diese Wahrnehmung entstanden ist. Und ich frage mich: Warum hat Frau Schulmann mich nicht direkt im Anschluss dazu angesprochen? Ihr hätte doch klar sein müssen, was sie mit ihrem LinkedIn-Post auslöst. Um es klar zu sagen: Ich habe mich bis heute immer von jeder Form von menschenfeindlicher Haltung distanziert – ich bin weder rassistisch noch antisemitisch."
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