Nachdem ProSiebenSat.1 seit einigen Tagen ohne Einwilligung der Öffentlich-Rechtlichen die Mediatheken von ARD und ZDF bei Joyn einbettet, gehen die Wogen zwischen den Medienhäusern hoch. Am Freitag hat sich ARD-Vorsitzender Florian Hager eindeutig in der Sache positioniert - und sich auch vorbehalten, technisch gegen das Embedding vorzugehen (DWDL.de berichtete). Noch vor dem Pressegespräch mit Hager hatte ProSiebenSat.1 zu einem Hintergrundgespräch mit Chief Operating Officer Markus Breitenecker eingeladen, wo dieser noch einmal die eigene Sicht darlegte. 

Weil ProSiebenSat.1 das Gespräch ausdrücklich im Hintergrund führte, durfte daraus nicht zitiert werden. Nachdem die neuen Aussagen von Florian Hager öffentlich wurden und unter anderem DWDL.de darüber berichtete, kam die Kehrtwende aus Unterföhring: Im Nachhinein gab man die Aussagen aus dem Hintergrundgespräch doch noch zur Veröffentlichung frei. So viel zur Genese auch dieses Textes und zum Hickhack, das zwischen ProSiebenSat.1 und den Öffentlich-Rechtlichen seit einigen Tagen läuft. 

Markus Breitenecker bezeichnete das Embedding der Mediatheksinhalte am Freitag als "besondere Form der Verlinkung". ARD und ZDF würden bei dieser Vorgehensweise Content Owner bleiben, das Embedding sei nach EU-Recht zulässig und würde auch das Urheberrecht nicht betreffen. Gleichzeitig verwies der ProSiebenSat.1-Manager auf die Tatsache, dass nicht nur Kooperationen zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten im (noch nicht final beschlossenen) Reformstaatsvertrag stehen würden, sondern ganz explizit auch das Embedding erwähnt werde. 

Appell für mehr Kooperationen

An dieser Stelle wurde Markus Breitenecker grundsätzlich - und hielt einen flammenden Appell für mehr Kooperationen und weniger Konkurrenzdenken. Bei ProSiebenSat.1 sieht man grundsätzliche Erschütterungen im Markt: Es gäbe längst kein duales Rundfunksystem mehr, sondern ein triales. Die großen Big-Tech-Giganten würden nicht nur Werbeeinnahmen der Privaten abgraben, sondern demokratiepolitisch gefährlich werden. Auch deshalb habe man sich medienpolitisch 2024 gewandelt und nicht mehr gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk positioniert. "Es bringt nichts, eine Konkurrenzsituation zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu haben. Wir wollen Kooperation statt Konkurrenz", so Breitenecker. 

In Bezug auf die Vorgehensweise bei Joyn spricht Breitenecker von einer Win-Win-Win-Situation, alle Seiten würden profitieren. Das Publikum habe mehr Inhalte an einem Ort (Joyn), ARD und ZDF würden mehr Abrufe generieren, denn die auf Joyn erfolgten Zugriffe würden den Öffentlich-Rechtlichen zugerechnet werden. Und Joyn selbst profitiere, weil mehr Menschen länger auf der Plattform bleiben - und dabei möglicherweise auch andere (vermarktbare) Sendungen schauen. Bei ProSiebenSat.1 hoffte man, das räumt Breitenecker unumwunden ein, dass ARD und ZDF die Sache dulden würden - ähnlich wie es der ORF seit mittlerweile fast zwei Jahren in Österreich tut. Hier hat man sich verschätzt. Bei den deutschen öffentlich-rechtlichen toben die Verantwortlichen, rechtliche Schritte sind bereits angekündigt.

"Intensive und sehr konstruktive Gespräche"

Als Breitenecker am Freitag gefragt wurde, ob er sich vorstellen können, das Embedding während des Rechtsstreits auszusetzen, wollte er sich nicht festlegen lassen. Stattdessen sagte er: "Wir hoffen, dass wir in guten Gesprächen Überzeugungsarbeit leisten können." Wenn man sich noch nicht einmal bei dieser kleinen Form der Kooperation, die dazu noch zum Vorteil von ARD und ZDF sei, einigen könne, sehe er schwarz für das Mediensystem, so Breitenecker. 

"Wir hoffen, dass wir in guten Gesprächen Überzeugungsarbeit leisten können."
Markus Breitenecker


Es ist eine gewisse Form der Chuzpe, wie Breitenecker das Embedding der Inhalte von ARD und ZDF quasi zum Überlebenskampf eines ganzen Systems deklariert. Zumal die Gespräche mit den Öffentlich-Rechtlichen künftig wohl nicht einfacher werden. Florian Hager erklärte am Freitag zwar, man sei weiter offen für eine Kooperation auf Basis von Verlinkungen. Gleichzeitig sagte er auch, dass Vertrauen zerstört worden sei. 

Überhaupt gibt es noch einige Unklarheiten, wie es zur Situation kommen konnte. Markus Breitenecker berichtete am Freitag von 26 Terminen, die man alleine im vergangenen Jahr mit Intendanten und Intendanten von ARD und ZDF zu dem Thema gehabt habe. "Intensive und sehr konstruktive Gespräche" seien das gewesen. "Ein klares ‘Nein’ haben wir nie gehabt", sagt Breitenecker zum Embedding der Inhalte. Im Gegenteil: Es habe zwar auch skeptische Stimmen und Nachfragen gegeben, viele Reaktionen seien aber sehr positiv gewesen. Teilweise seien Voraussetzungen formuliert worden, etwa die, dass man kein Cherry Picking betreiben dürfe, sich also die vermeintlich besten Inhalte heraussuche. Von dem nun erfolgten Vorgehen hätten ARD und ZDF seit sechs Wochen gewusst. 

Hier gehen die Darstellungen von ProSiebenSat.1 und den Öffentlich-Rechtlichen am weitesten auseinander. Der ARD-Vorsitzende Florian Hager stellte am Freitag noch einmal klar, dass man diese Form der Zusammenarbeit ausdrücklich ausgeschlossen habe - und es in der Kommunikation untereinander auch nie um eine Umsetzung zu einem bestimmten Stichtag gegangen sei. "Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt", so Hager. 

Große Aussprache noch im Februar? 

Bei ProSiebenSat.1 sieht man das offenkundig ganz anders. Ohnehin sieht man sich rechtlich auf der sicheren Seite. "Embedding ist zweifelsfrei möglich und rechtlich zulässig", so Breitenecker, der am Freitag im Gespräch mit den Journalistinnen und Journalisten auch mit Prof. Dr. Mark D. Cole aufwarten konnte, der in einem vom Senderverbund beauftragten Gutachten das unterstreicht. Die Sache sei bereits ausjudiziert, so Breitenecker. 

Bleibt die Frage, weshalb man eigentlich noch mit ARD und ZDF sprechen muss, wenn die Rechtslage so klar ist - und wieso die Öffentlich-Rechtlichen das gänzlich anders bewerten. "Nur, weil wir es rechtlich dürfen, heißt es nicht, dass das ein kooperativer Geist ist. Wir würden gerne, dass die Öffentlich-Rechtlichen am Ende von sich aus noch stärker bei uns eingebunden werden wollen." Das sei eine echte, kooperative Zusammenarbeit. Bis es soweit ist, muss Markus Breitenecker wohl noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Der COO aber ist optimistisch. Man habe gute Argumente und brauche in diesem Fall vielleicht einfach ein bisschen länger, um damit durchdringen. 

Ende Februar soll es nach Angaben von ProSiebenSat.1 eine große Aussprache mit ARD und ZDF geben. Es ist aber wohl davon auszugehen, dass es schon in den kommenden Tagen weitere Bewegungen in dieser Sache geben wird.