Ende Januar ist Prof. Dr. Haya Schulmann von der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen der HR-Sendung "Hallo Hessen" von Moderatorin Selma Üsük zum Thema Europäischer Datenschutz interviewt worden - und dieses Gespräch hallt im Sender bis heute nach. Oder genauer gesagt: Das, was davor stattgefunden haben soll. Schulmann meldete sich im Anschluss an das Interview nämlich bei LinkedIn zu Wort und warf der Moderatorin vor, sie im Vorgespräch zur Sendung antisemitisch und rassistisch beleidigt zu haben. 

Was war geschehen? Schulmann nahm nur online an der Sendung teil, daher hatte es ein Vorgespräch gegeben. "Wir plauderten sehr nett, bis die Moderatorin, die türkischer Abstammung ist, mich fragte, woher mein Name käme", sagte sie. Auf die Antwort "Israel" soll Selma Üsük mit einem "Bääääh" reagiert und die Zunge herausgestreckt haben, danach habe Üsük nichts mehr gesagt und sie selbst sei stummgeschaltet worden, so Schulmann.

Der HR versicherte schnell, sich der Sache anzunehmen und eine Untersuchung einzuleiten. Und tatsächlich hat die ARD-Anstalt in den zurückliegenden Tagen einigen Aufwand betrieben, um der Sache auf den Grund zu gehen. So beauftragte man die Kanzlei Feigen Graf, die unter anderem 18 Interviews mit verschiedenen Personen führte. Gesprochen wurde mit allen HR-Mitarbeitenden, die sich am besagten Tag im Studio und der Regie befunden haben. Auch alle externen Gäste der Sendung wurden befragt und sämtliches Videomaterial gesichtet und analysiert. 

Darüber hinaus wurde auch eine Lippenleserin engagiert, die solche Videosequenzen untersuchen sollte, bei denen kein Ton vorhanden war. Auch Schulmann und ihr Ehemann seien in die Untersuchung einbezogen worden, heißt es vom HR. Und mittlerweile liegt das Ergebnis dieser Aufarbeitung vor - und der HR sieht "kein Fehlverhalten" seiner Moderatorin. 

Konkret heißt es im Abschlussbericht der Untersuchung: "Aufgrund der Untersuchungsergebnisse ist nach Überzeugung von Feigen Graf davon auszugehen, dass die von Prof. Dr. Haya Schulmann […] vorgeworfenen Beleidigungen durch Selma Üsük nicht erfolgten." Teile der Vorwürfe oder auch ergänzende Behauptungen seien im dem Gespräch mit der Kanzlei nicht mehr aufrechterhalten worden, heißt es von Feigen Graf. 

Der Bericht der Kanzlei hält aber auch fest, dass Schulmann und ihr Ehemann "eine Reaktion von Selma Üsük in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Nennung der Herkunft des Vornamens ‘Haya’ wahrnahmen und dies missverständlich als beleidigend bzw. missbilligend auffassten". Vom HR heißt es, man bedauere, dass bei der Interviewpartner eine solche Wahrnehmung entstanden sei.

Beim HR weist man die vor allem in den sozialen Netzwerken erhobenen Anschuldigungen aber zurück und stellt sich hinter die eigene Moderatorin. Haya Schulmann selbst legte auf LinkedIn übrigens vor einer Woche in einem zweiten Posting nach. Dort spielte sie den Vorfall zwar ein Stück weit herunter und sagte, es gebe unzählige Fälle von Diskriminierung, "die nachhaltigere Schäden verursachen". Jedoch schrieb sie auch, dass es für den HR jetzt sicher schwer sei, sich zu entschuldigen und einen Fehler einzugestehen. "Das ist in Ordnung – es ist nicht wichtig für mich. Wichtig ist, dass das Bewusstsein für Antisemitismus geschärft wurde, sicher auch beim HR. Überall passieren Fehler, das ist menschlich, aber ich glaube nicht, dass sich die Redaktion oder die Moderatorin in Zukunft noch einmal in diese Lage bringen werden."

"Wir sind uns bewusst, dass die Situation, wie sie durch Live-Interviews mit Bildübertragung entstehen kann, einer besonderen Berücksichtigung bedarf", lässt der HR jetzt wissen. Man werde intern beraten, "wie wir Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern besonders achtsam begegnen können. Dies gilt umso mehr, wenn Gäste extern zugeschaltet sind." Dennoch wehre man sich gegen die in der Öffentlichkeit erfolgte Vorverurteilung der Moderatorin und des Teams. "Das Ausmaß an öffentlicher Hetze gerade in den sozialen Medien ist unerträglich", so der Sender, der 43 justiziable Hasskommentare in diesem Zusammenhang zur Anzeige gebracht hat.