In einer guten Partnerschaft ist es ratsam, sein Gegenüber nicht vor den Kopf zu stoßen. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, wie zielführend das jüngste Vorgehen der ProSiebenSat.1 Media SE beim Streamingdienst Joyn ist. Beim selbsternannten "Super-Streamer" sind aktuell auch die Inhalte der Mediatheken von ARD und ZDF nutzbar (DWDL.de berichtete) - vom aktuellen "Tatort" über die "heute-show", "Inas Nacht" bis zu "Leschs Kosmos". Bei ARD und ZDF wird das mit einigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen, denn eine Vereinbarung darüber gibt es nicht. Vom "Inhalte-Klau" ist am Dienstag hinter vorgehaltener Hand die Rede.
Bei ProSiebenSat.1 ist man indes gewillt, das Vorgehen herunterzuspielen. Man habe "ein vorläufiges Beta-Testing auf Joyn gestartet, um mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu prüfen, wie wir am besten die ARD- und ZDF-Mediatheken-Inhalte embedden", heißt es am Dienstag auf DWDL.de-Anfrage. Man stehe außerdem "in einem intensiven Austausch mit den Öffentlich-Rechtlichen". Darüber hinaus werde man "konkret zum Beta-Testing in Kürze einen weiteren Gesprächstermin" haben. Doch die Gesprächspartner sind sehr irritiert. Die ARD bestätigt auf Nachfrage, dass man über einen geplanten Beta-Test nicht informiert worden sei.
Umgesetztes Modell "explizit ausgeschlossen"
Mehr noch: "Über eine Zusammenarbeit rund um die ARD-Mediathek gab es Gespräche, in denen wir das von Joyn nun umgesetzte Modell explizit ausgeschlossen haben", erklärt eine ARD-Sprecherin am Dienstagnachmittag gegenüber DWDL.de. "Die von Joyn umgesetzte Form der Integration (Embedding) ist aus unserer Sicht rechtlich unzulässig und nicht im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags." Und die Sprecherin der ARD ergänzt: "Wir haben rechtliche Schritte eingeleitet."
Die ARD erklärt den Schritt damit, dass der Auftrag der ARD ein "redaktionell kuratiertes Gesamtangebot" sei. Joyn nehme dagegen nun einzelne Inhalte der Mediathek und baue damit "eine eigene 'ARD-Mediathek' in der Joyn-Produktlogik", indem Auswahl und Kuratierung der Inhalte durch den Streamer erfolgten. Spezifische Funktionen der ARD-Mediathek - etwa Barrierefreiheit, die Möglichkeit der Personalisierung, Login, Kinderprofile oder Empfehlungslogiken - würden hingegen nicht übernommen. "Daneben hat das Embedding urheberrechtliche und medienrechtliche Konsequenzen, weil es die Rechte zum Beispiel von Produzenten, Autoren oder Sportrechtegebern betrifft", führt die ARD weiter aus.
Ungeachtet des Streits will man den Gesprächskanal mit ProSiebenSat.1 aber offen halten. "Wir sind ausdrücklich offen und bereit für eine Kooperation mit Joyn", so die ARD-Sprecherin auf DWDL.de-Anfrage. "Eine Vernetzung der Inhalte von vertrauenswürdigen Medienmarken ist aus unserer Sicht wünschenswert und im Sinne von Auftrag und Nutzenden. Deshalb haben wir Joyn mehrfach das Modell der Verlinkung von ARD-Inhalten angeboten und halten daran fest."
Eine Stellungnahme des ZDF steht noch aus. Und bei ProSiebenSat.1 gibt man sich unterdessen - abgesehen von dem kurzen Zwei-Sätze-Statement - erstaunlich wortkarg. Klar ist, dass dem Konzern eine Integration der öffentlich-rechtlichen Inhalte dabei helfen dürfte, neue Zielgruppen für Joyn zu erschließen und die Nutzungsdauer im Angebot weiter zu erhöhen. Doch "Alles auf Joyn", so das ausgerufene Motto, nimmt man bei ProSiebenSat.1 gerade wörtlicher als es den Öffentlich-Rechtlichen lieb sein dürfte. Bleibt abzuwarten, was der Alleingang auf lange Sicht für die angestrebten Partnerschaften bedeutet.
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