Der Streamingdienst Viaplay, einst in Skandinavien geboren, agiert seit Jahren schon in weitaus mehr Territorien, auch schon einige Zeit in Deutschland. Hierzulande wird das Angebot über Partner verbreitet: Einmal als Teil des TV-Angebots der Deutschen Telekom, Magenta TV, sowie seit vergangenem Herbst auch als zubuchbarer Channel bei Prime Video. Am vergangenen Samstag feierte nun die polnische Viaplay-Serie „Murderesses“ mit sechs Episoden ihre Deutschland-Premiere auf eben diesen beiden Plattformen. In der monatlichen Pressemitteilung von Viaplay ist die Serie als „besonderes Highlight“ angekündigt, die Serie aus Polen verspreche "fesselnde Spannung und erstklassige Unterhaltung".
In der Serie geht es um eine junge und ehrgeizige Polizistin, die sich auf die Suche nach ihrem vermissten Vater begibt, der ebenso Polizist ist und vor einem Jahr spurlos verschwand. Das könnte spannend sein, doch keine 48 Stunden nach Veröffentlichung der Serie ist sie bei Magenta TV wieder verschwunden. Die Synchronisation der Serie war auffällig; leider auffällig schlecht und monoton. Das fiel auch einigen Leserinnen und Lesern des Medienmagazins DWDL.de auf. Der Abspann der Serie erklärt viel, etwa die fehlenden Betonungen in den Stimmen und mangelnde Varianz des Gesprochenen, denn die deutsche Fassung von „Murderesses“ entstand nicht klassisch im Synchronstudio.
Umgesetzt wurde diese deutsche Sprachfassung mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. Das israelische Startup-Unternehmen Deepdub ist im Abspann als Dubbing Studio genannt. Deepdub hat sich nach eigenen Angaben auf KI-Lösungen für Sychronfassungen spezialisiert. Auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de hat die Deutsche Telekom die Serie am Montagmorgen zum Zweck der Qualitätskontrolle und Klärung wieder offline genommen. Eigentlich gibt es seitens Magenta TV bei Programmeinkäufen eine Liste von pre-approved Synchronstudios, mit denen Lizenzgeber dann arbeiten dürfen, um die Qualität deutscher Sprachfassungen zu sichern.
Das gilt nach DWDL.de-Informationen allerdings nur für exklusive Einkäufe und Deutschland-Premieren. Im Falle von „Murderesses“, das parallel eben auch beim Viaplay-eigenen Channel via Prime Video gestartet ist, lag die Verantwortung für die Sprachfassung offenbar bei Viaplay - und wurde von Magenta TV vor Veröffentlichung offenbar gar nicht mehr geprüft. Entsprechend groß auf DWDL-Anfrage die jetzige Überraaschung dort. Im Viaplay-Channel bei Prime Video wiederum ist die Serie weiterhin verfügbar, Stand Montagabend. Eine Presse-Anfrage bei Viaplay zur Entscheidung für die KI-Synchronisation blieb bislang unbeantwortet.
Mag es auch "nur" um eine kurze polnische Krimiserie gehen. Wie die Deutsche Telekom damit umgeht, ist alles andere als eine Randnotiz und wird mit Spannung beobachtet - von anderen Plattformen wie auch den deutschen Synchronstudios. Der deutsche Markt gilt als einer der anspruchsvollsten für Sychronisationen, weil das hiesige Publikum seit Jahrzehnten an aufwendige Adaptionen gewöhnt ist. Akzeptiert Magenta TV als Plattform die Qualität dieser von KI erstellten Synchronfassung?
Die schöne neue Serienwelt mit der enormen Vielfalt von Produktionen aus aller Welt, die inzwischen ihren Weg auch nach Deutschland finden, trifft auf die harte Realität der Wirtschaftlichkeit. Sind Experimente mit KI-Synchronisation ein notwendiger Schritt für einen Markt wie Deutschland, in dem Originalfassungen weniger akzeptiert sind und die Arbeit mit Synchronstudios manchem zu teuer ist? Hat Viaplay mit der von KI realisierten Synchronisation die Büchse der Pandora geöffnet? Eine vermeintlich kleine Serie sorgt plötzlich für eine Frage von großer Tragweite.
Dass man nicht einmal für den global weitaus größeren englischsprachigen Markt eine Sychronfassung produzieren ließ, hätte schon ein Indiz dafür sein können, dass Viaplay für Deutschland erst recht nicht viel Geld in die Hand nehmen wird. Bei der Deutschen Telekom dürfte man verärgert sein - über den Partner Viaplay und die Tatsache, dass die Serie vor Veröffentlichung inhouse nicht gecheckt wurde. Über "Murderesses" hinaus bleibt eine Frage im Raum: Wie viel Entwicklungszeit braucht es noch bis KI-generierte Sprachfassungen ein Qualitätslevel erreicht haben, das der etablierten Sychron-Branche wirklich gefährlich wird?