Der gefühlte Temperaturunterschied hätte kaum größer ausfallen können zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Teil der Präsentation. Erst meldete sich Bela Bajaria, die weltweite Content-Chefin von Netflix, live aus Los Angeles, um den zwölf zugeschalteten Ländern die neueste Programmware aus der Zentrale vorzuführen. Mit den jüngsten Rekordwerten von 300 Millionen Abonnenten und 8,7 Milliarden Dollar Gewinn im Rücken spulte die Top-Managerin ihren Part etwas zu kalt, glatt und routiniert ab. Nach einer guten Stunde blieb vor allem hängen, dass 2025 das "best year ever" werde und Netflix der Konkurrenz so weit enteilt sei, dass man sich um Kritik oder Zweifel nicht mehr groß scheren müsse.

Dann übernahm in Berlin die deutsche Content-Chefin Katja Hofem die Bühne des hundert Jahre alten Colosseum-Kinos – und sofort schossen Charme und Wärme des gesprochenen Worts nach oben. Als "klares Bekenntnis zum lokalen Standort" wolle sie den Abend verstanden wissen, so Hofem, und verwies auf die unlängst bezogenen Büros im neuen Berliner Tacheles-Quartier, wo rund hundert Netflix-Mitarbeiter nach jahrelangen Provisorien ein dauerhaftes Domizil gefunden haben. Der deutschsprachige Part endete gar damit, dass die sichtlich ergriffene Chefin ihr 20-köpfiges Content-Team auf die Bühne holte – ein Zeichen der Anerkennung, das in LA wohl niemandem eingefallen wäre.

Netflix Team © Netflix/Sebastian Reuter Das Führungsteam von Netflix Deutschland: Sasha Bühler, Wiebke Schodder, Eva van Leeuwen und Katja Hofem

Die kulturellen Unterschiede zwischen den Kontinenten manifestierten sich auch in zwei Programmpersonalien: hier Poldi, da Posh Spice. Während das US-Hauptquartier erste Ausschnitte aus der ebenso glänzenden wie kontrollierten Doku-Serie über das Fashion- und Beautyimperium von Victoria Beckham zeigte, erfrischte in Berlin Fußballstar und Publikumsliebling Lukas Podolski mit seiner unverstellten Art die Präsentation. Seit ein paar Monaten werde er schon von Kameras begleitet, berichtete der Offensivspieler des polnischen Erstligisten Górnik Zabrze im Gespräch mit Netflix-Nonfiction-Direktorin Wiebke Schodder. "Eigentlich habe ich meine Familie bisher immer aus den Medien rausgehalten", so Podolski. "Aber jetzt bin ich durch Wiebke gezwungen, alles zu zeigen. Die Verträge sind schließlich unterschrieben." Produziert wird die Poldi-Doku von btf und Signature Studios.

"Wir wollen Geschichten über die Größten erzählen", begründete Schodder, warum ihre Wahl auf Podolski gefallen ist, und fügte hinzu: "Aber die Größten müssen natürlich auch wollen." Während die geplante Doku-Serie über Helene Fischer bekanntlich nicht das Licht der Streaming-Plattform erblicken wird, ist "Shirin" – das zwischenzeitlich unterbrochene Projekt über Rapperin Shirin David – offenbar wieder auf Kurs und bei Leonine Studios nun in den Händen des "Kaulitz & Kaulitz"-gestählten Regisseurs Michael Schmitt. Vom Dreh ihrer zweiten Staffel schickten die "Tokio Hotel"-Zwillinge wiederum einen Videogruß nach Berlin. Mit der Ankündigung einer zweiten Staffel für "Love is Blind: Germany" (Produktion: Redseven Entertainment) und ersten Eindrücken der am 18. Februar anlaufenden zweiten Runde von "Too Hot to Handle: Germany" (Produktion: Seapoint) unterstrich Netflix, wie konsequent es auch jenseits der Fiction zum Vollsortimenter geworden ist.

Wiebke Schodder, Lukas Podolski © Netflix/Sebastian Reuter Wiebke Schodder, Lukas Podolski

Serienchefin Eva van Leeuwen stellte unterdessen das nächste Werk der "Liebes Kind"-Macher in Aussicht: Autorin und Regisseurin Isabel Kleefeld und Constantin-Film-Produzent Tom Spieß adaptieren diesmal den Psychothriller-Bestseller "Die Falle" von Melanie Raabe, in dem eine berühmte Schriftstellerin den mutmaßlichen Mörder ihrer Schwester aus der Reserve locken will. Anlässlich der am 8. April startenden vierten Staffel von "How to Sell Drugs Online (Fast)" (Produktion: btf) – von Netflix als "Bonusstaffel" verkauft – traten die Hauptdarsteller Maximilian Mundt, Lena Klenke und Danilo Kamperidis zum Trivia-Quiz in eigener Sache an. Dabei kam heraus, dass in der Serienhandlung über vier Milliarden Euro mit Drogen umgesetzt wurden.

Erste Ausschnitte aus den bereits angekündigten Serien "Alphamännchen" (Produktion: Geißendörfer Pictures), "Bone Palace" (Gaumont) und "Kacken an der Havel" (Warner Bros. ITVP) lassen zudem einen breiten Genremix zwischen Feelgood-Comedy und Spionagethriller erwarten. Filmchefin Sasha Bühler brachte Matthias Schweighöfer und Ruby O. Fee auf die Bühne, die vom Dreh ihres Mystery-Thrillers "Brick" (Produktion: W&B Television) in Prag erzählten: "Wir waren die ganze Zeit in der Dunkelheit." Der vor einem Jahr angekündigte Film, geschrieben und inszeniert von Philip Koch, lässt das Paar eines Morgens als Gefangene in der eigenen Wohnung aufwachen, weil eine schwarze, undurchdringliche Wand den Weg nach draußen versperrt. 

Netflix Family Photo © Thomas Schenk/Netflix

Gezeigt wurden auch Trailer der deutsch-türkischen Culture-Clash-RomCom "She Said Yes" (Produktion: CB Medya) von Ipek Zübert und des Sozialdramas "Delicious" (Komplizen Film) von Nele Mueller-Stöfen, das in der Berlinale-Sektion Panorama Premiere feiert und am 7. März auf Netflix veröffentlicht wird. Während der US-Präsentation stellte Ben Affleck seinen Crime-Thriller "RIP" vor, in dem er zusammen mit Matt Damon spielt. Tina Fey kündigte ein Serien-Remake des RomCom-Films "The Four Seasons" an und John Mulaney seine wöchentliche Live-Talkshow "Everybody's Live", die am 12. März startet. Die Duffer Brothers schließlich zeigten erste Bilder aus der fünften und letzten "Stranger Things"-Staffel, die im Herbst laufen soll, und stellten in Aussicht, 2026 zwei neue Netflix-Serien zu produzieren.