"Der Aufsichtsratsvorsitzende der ProSiebenSat.1 Media SE, Dr. Andreas Wiele, hat heute Aufsichtsrat und Vorstand der Gesellschaft darüber informiert, dass er nach dem regulären Ablauf seiner Wahlperiode keine weitere Amtszeit als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats anstrebt." Mit diesen Worten lenkte ProSiebenSat.1 am Freitagabend die Aufmerksamkeit wieder auf eine der spannendsten Fragen in diesem Jahr: Wie geht es weiter beim Machtkampf in Unterföhring, der im vergangenen Jahr in einem offenen Showdown auf der Jahreshauptversammlung vorläufig gipfelte.
Damals war im Vorfeld ein offener Machtkampf zwischen dem ProSiebenSat.1-Vorstand rund um Bert Habets und der Mehrheit des Aufsichtsrats um den Vorsitzenden Andreas Wiele auf der einen und Großaktionär MFE MediaForEurope auf der anderen ausgebrochen. Zwar sind sich beide Parteien im Ziel der Fokussierung aufs Kerngeschäft durchaus einig, allerdings nicht in der Frage, wie schnell und unter welchen Umständen man sich von den Beteiligungen abseits des Kerngeschäfts trennen soll. Mit Unterstützung des zweiten Großaktionärs PPF brachte MFE gegen den Willen von Habets und Wiele damals mit Ausnahme der Aufspaltung des Unternehmens fast alle Anträge durch - und veränderte auch die Zusammensetzung des Aufsichtsrats zugunsten der Großaktionäre deutlich.
Rolf Nonnenmacher musste damals das Gremium zugunsten des von MFE vorgeschlagenen Simone Scettri schon verlassen. Andreas Wiele hätte womöglich bei der kommenden Hauptversammlung, die für den 28. Mai ansteht, das gleiche gedroht. Indem er dort nun nicht mehr antritt, kommt er also auch einer denkbaren Abwahl zuvor, zumal MFE ohnehin mit einer Kompettübernahme von ProSiebenSat.1 liebäugelt und sich inzwischen schon die notwendigen finanziellen Mittel über Kredite gesichert hat. Aktuell liegt der Anteil von MFE nur noch minimal unter der 30-Prozent-Schwelle, ab der ein öffentliches Übernahmeangebot abgegeben werden muss. Wer die Nachfolge Wieles als Aufsichtsratsmitglied antritt und wer künftig den Vorsitz übernimmt, ist noch unklar, die Suche werde durch den Aufsichtsrat und dessen Nominierungsausschuss nun unmittelbar eingeläutet.
Wiele verweist in der Begründung seines Abschieds auch ganz unverstellt auf die geänderten Machtverhältnisse in Unterföhring: "Ich bedanke mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Aufsichtsrat sowie beim Vorstand für die vertrauensvolle Zusammenarbeit der vergangenen drei Jahre. ProSiebenSat.1 hat den richtigen Kurs eingeschlagen und ist mit einem hervorragenden Vorstand und einer klaren Strategie bestens aufgestellt. Mit der Fokussierung auf das Kerngeschäft, den umfangreichen Investitionen in lokale Inhalte, dem starken Wachstum von Joyn sowie dem wertschaffenden Ansatz aus Wachstum und Wertrealisierung im Commerce & Ventures-Segment wurden die ersten Erfolge dieser Strategie erzielt. Gleichzeitig haben sich die Aktionärsstruktur und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats seit meinem Amtsantritt 2022 stark verändert. Daher ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, das Amt geordnet in neue Hände zu übergeben, um den eingeschlagenen Transformationspfad konsequent weiterzugehen."
Vorstandschef Bert Habets verliert damit in jedem Fall einen wichtigen Verbündeten an der Spitze des Aufsichtsgremiums. Habets sagt: "Im Namen des gesamten Vorstands bedanken wir uns bei Andreas Wiele für den wertvollen Austausch über die letzten Jahre. Wir bedauern seine Entscheidung, da wir immer exzellent mit ihm zusammengearbeitet haben. Er hat unsere Strategie stark unterstützt und sein tiefes Medienverständnis sowie seine Veränderungsexpertise waren eine große Hilfe für das Unternehmen."
Cai-Nicolas Ziegler, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media, teilt mit: "Mit Dr. Andreas Wiele verlässt ein exzellenter, transformationserfahrener Aufsichtsratsvorsitzender das Unternehmen. Andreas hat dank seines tiefen Sachverstandes, seiner umfangreichen Expertise in der Medienbranche, seiner Integrität und insbesondere seiner hohen Willens- und Gestaltungskraft die notwendige Transformation des Medienkonzerns konsequent vorangetrieben. Ich danke Andreas von ganzem Herzen für seinen unermüdlichen Einsatz stets im Sinne des Unternehmens, seiner Aktionäre und seiner Mitarbeitenden. Er hinterlässt große Fußstapfen, die nicht einfach zu füllen sein werden."