Die Medienwelt ist vor zehn Jahren noch eine gänzlich andere gewesen als heute. Damals waren Netflix und andere Streamingdienste noch recht neu und mussten sich erst ihren Weg in die Köpfe der Userinnen und User bahnen. Was dann folgte, ist längst Geschichte: Ein ungeahnter Streamingboom, der nicht nur die entsprechenden Plattformen groß werden ließ, sondern auch für Goldgräberstimmung bei Produzentinnen und Produzenten sorgte, weil die neuen Player einen gewaltiger Hunger nach eigenen Inhalten hatten. 

Dieser Trend hat sich längst abgeschwächt, mittlerweile schauen auch die großen Streamingdienste verstärkt auf’s Geld und versuchen entweder in die Gewinnzone zu kommen - oder ihre Gewinne auszuweiten. Dabei setzen sie längst nicht mehr nur auf zahlende Kundinnen und Kunden. Vor allem die vergangenen zwei Jahre waren ein eindrucksvolles Beispiel für den schnellen Wandel innerhalb der Branche. 

Hatte Netflix in den Jahren davor immer ausgeschlossen, Werbung einzuführen, war man Ende 2022 das erste große Unternehmen, das in dieser Frage eine 180-Grad-Wende vollzog. Die versammelte Konkurrenz zog in den darauffolgenden Monaten nach - heute haben alle großen SVoD-Dienste auch günstige Abo-Modelle im Angebot, in denen die Nutzerinnen und Nutzer Werbung ausgespielt bekommen. 

FAST schnell erklärt

  • FAST steht für Free Ad-supported Streaming Television und ist im Grunde nichts anderes als ein linearer Sender, der eben nur online ausgespielt wird. Anders als die großen SVoD-Dienste setzen FAST-Anbieter ausschließlich auf Werbeeinnahmen und sind für die Nutzerinnen und Nutzer kostenlos verfügbar. In den meisten Fällen sind auf einem FAST-Channels thematisch ähnliche Formate zu sehen. Oder es gibt gleich ganze Kanäle für eine Sendung, die dort dann 24/7 zu sehen ist.

Das wiederum elektrisiert diejenigen, die auf AVoD bzw. FAST setzen. Je mehr große SVoD-Anbieter nachziehen und sowohl Agenturen als auch die werbungtreibenden Unternehmen von Werbung im Streaming überzeugen, desto höher das Wachstum auch bei ihnen (zumindest vorerst) - so lautet der kollektive Glaube. Und tatsächlich ist das Wachstum in diesem Bereich aktuell noch extrem hoch, der Markt für werbefinanziertes Streaming ist im Vergleich zum gesamten Markt aber auch noch immer ein zartes Pflänzchen. 

Experimente auf Hochtouren

Prime Video © Amazon
Der Einstieg der großen Streamer in die Werbung lässt aber auch ganz unweigerlich die Frage aufkommen, wann Netflix & Co. in FAST-Channels investieren. Also in den Bereich, in dem Pluto TV, Samsung TV Plus und andere heute schon sehr erfolgreich unterwegs sind? Am weitesten in dieser Frage ist Prime Video. Das hängt damit zusammen, weil man bis vor wenigen Wochen mit Freevee noch einen eigenen, kostenlosen Streamingdienst im Angebot hatte. Dessen Ende ist aber mittlerweile besiegelt (DWDL.de berichtete), inzwischen sind alle Freevee-Inhalte, also auch die FAST-Channels, auf Prime Video angekommen. Nach eigenen Angaben bietet Prime Video in den USA mehr als 500 FAST-Channels an, erst im November wurde ein großer Deal mit PBS bekannt. Und auch ein deutscher Sprecher von Prime Video bestätigt auf Anfrage von DWDL.de: "Ja, Prime Video wird das Angebot seiner FAST-Channel weiter ausbauen."

Die anderen Anbieter setzen bislang noch nicht großflächig auf lineare Channels, die durch Werbung finanziert werden. Es ist aber nicht so, als würde man sich mit dem Thema nicht beschäftigen - im Gegenteil. FAST ist auch bei diesen Streamingdiensten ein Thema. Branchenprimus Netflix etwa testete vor einiger Zeit unter dem Namen Netflix Direct in Frankreich die Ausspielung von Inhalten auf einem linearen 24/7-Kanal - damals noch ohne Werbung. Aber dieser Test dürfte den Verantwortlichen Erkenntnisse darüber geliefert haben, wie gut (oder schlecht) die Nutzerinnen und Nutzer ein solches Angebot annehmen. Netflix begründete den Dienst mit einem Schlagwort, den auch die großen FAST-Anbieter immer wieder anführen: Leanback. Viele Menschen sind faul und oft überfordert, wenn sie vor dem großen Inhalte-Angebot der Streamingdienste stehen. Lineare Sender können da eine einfache Möglichkeit sein, um diesen Personen einen einfachen Einstieg ins Angebot zu ermöglichen.

Netflix © Netflix
Netflix Direct gibt’s inzwischen nicht mehr, dafür experimentiert das Unternehmen in den USA, Südkorea, Brasilien und Frankreich mit Playlisten, in denen die Nutzerinnen und Nutzer verschiedene Kinderinhalte sehen können. Spannend ist auch ein Experiment, das Netflix bis 2023 für zwei Jahre lang in Kenia durchgeführt hat. Dort konnten Nutzerinnen und Nutzer auf eine Vielzahl an Inhalten kostenlos zugreifen - dafür bekamen sie Werbung angezeigt. 2023 erklärte Co-CEO Ted Sarandos, dass man die Entwicklung im FAST-Mark beobachte. 

Disney+ tut sich mit der Definition noch schwer

Und auch bei Disney+ experimentiert man zunehmend mit linearen Sendern bzw. Streams, auch wenn sich das vorerst nur auf den Heimatmarkt in den USA beschränkt. Im August 2024 startete man die beiden Streams ABC News und Disney+ Playtime, wenige Wochen später legte man mit vier weiteren Channels nach. Das ist kein richtiges FAST, weil die Inhalte nicht durch Werbung unterbrochen werden und sie auch nur für Abonnentinnen und Abonnenten von Disney+ zur Verfügung stehen. Und dennoch könnte es ein erster Testballon sein, um künftig ins FAST-Geschäft einzusteigen. 

Disney+ © Disney
Wie schwer man sich bei der Definition solcher Angebot selbst bei den Streamingdiensten noch tut, zeigt Disney+ exemplarisch. Als man die ersten zwei Kanäle im vergangenen Jahr ankündigte, sprach man noch von "Playlists". Wenige Wochen später hießen sie dann "Streams". WarnerBros. Discovery hat derweil erst im Dezember für ausgewählte Nutzerinnen und Nutzer einen 24/7-Stream für Max angekündigt. Am klarsten ist die Strategie der großen US-Studios bei Paramount: Dort hat man vor Jahren Pluto TV übernommen, einen klassischen FAST-Dienst, der aber ebenfalls immer mehr auf VoD setzt. 

Erstmal Werbung etablieren

Der große Durchbruch von FAST steht bei Netflix & Co. also noch nicht unmittelbar bevor, wobei Prime Video hier eine Sonderrolle einnimmt. Die Vergangenheit aber zeigt: Wenn die Dienste wollen, kann es ganz schnell gehen. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die meisten Unternehmen erst einmal darauf konzentriert, überhaupt Werbung auf ihre Plattformen zu bringen. Das macht auf gleich mehreren Ebenen Sinn: So konnte man erst einmal die Akzeptanz bei den Nutzerinnen und Nutzern abklopfen sowie erste Werbekunden auf die Plattform holen. Gleichzeitig experimentieren die Big Player mit linearen Channels oder Streams, Netflix setzte zuletzt verstärkt auch auf Live-Events. Bei Prime Video sind Sportübertragungen heute schon Alltag. Das sind potenziell sehr werbeträchtige Veranstaltungen. 

Bislang funktioniert die Strategie der Unternehmen in Sachen Werbung sehr gut. Nach eigenen Angaben konnte Netflix im vierten Quartal 2024 erstmals seine Werbeziele übertreffen. "Wir haben unsere Werbeeinnahmen im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt", erklärte Co-CEO Greg Peters bei der Vorlage der jüngsten Geschäftszahlen. Natürlich kommt man von einem niedrigen Niveau. Aber: Auch 2025 will man die Einnahmen nochmal verdoppeln. Das Wachstum ist also signifikant. Ob bei Netflix in Zukunft auch FAST eine Rolle spielt, ist zum aktuellen Zeitpunkt unklar. Die Aussagen und Experimente der Verantwortlichen legen aber nahe, dass man das Thema auf dem Schirm hat. Das gilt auch für alle anderen Anbieter im Markt.