Das war nach der anhaltenden Kritik zu erwarten: Thilo Mischke wird nicht neuer Moderator des ARD-Kulturmagazins "ttt - titel, thesen, temperamente". Das berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am Samstagmittag unter Berufung auf mehrere Quellen, die ARD und Thilo Mischke haben das inzwischen mit einem offiziellen gemeinsamen Statement bestätigt.
Einen Fehler bei der Wahl von Thilo Mischke als "ttt"-Moderator räumt die ARD darin nicht ein, vielmehr sieht man das Problem offenbar in der lautstarken Kritik. Wörtlich heißt es: "Thilo Mischke ist ein anerkannter Journalist und mehrfach preisgekrönter Reporter. Doch die in den vergangenen Tagen entstandene heftige Diskussion um die Personalie Thilo Mischke überschattet die für uns zentralen und relevanten Themen, die wir mit der Sendung und Marke 'ttt' transportieren und gemeinsam mit der Community diskutieren möchten so, dass dies nicht mehr möglich ist. Thilo Mischke und die ARD sind sich einig darin, dass es nun vor allem darum geht, einen weiteren Rufschaden von 'ttt' und Thilo Mischke abzuwenden."
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete unterdessen, dass Thilo Mischke auch innerhalb der ARD von Beginn an offenbar alles andere als unumstritten war, die Rede ist von einer "massiven Kluft zwischen der Redaktion und der ARD-Führung, besonders den Programmdirektorinnen und -direktoren für Kultur". Demnach hätten einzelnen Verantwortliche versucht, die Entscheidung für Mischke "auch gegen wochenlangen internen Widerspruch aus Teilen der 'ttt'-Redaktion durchzusetzen", wie es heißt. Um welche Fürsprecher es sich konkret handelte, ließ die "SZ" allerdings offen.
Mit ihrer Berichterstattung kam die "Süddeutsche Zeitung" der ARD nun zuvor. Der Sender hatte über Tage hinweg geschwiegen und damit nur noch mehr Kritik auf sich gezogen. Erst vor zwei Tagen hatten sich über 100 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner aus dem kulturellen Bereich - Autorinnen, Schriftsteller, Literaturwissenschaftlerinnen, Musiker, Regisseurinnen und weiter Künstler - in einem Offenen Brief an die ARD gewandt und darin erklärt, eine Zusammenarbeit mit Thilo Mischke als "ttt"-Moderator für sich selbst auszuschließen. Man sei "bestürzt über diese Personalentscheidung der ARD, mit der die Kultursendung 'ttt - titel thesen temperamente' nachhaltig beschädigt wird".
Tatsächlich ist die Debatte um Thilo Mischke inzwischen sogar von der internationale Presse aufgegriffen worden - Negativ-Schlagzeilen, die man sich in der ARD vermutlich gerne erspart hätte, aufgrund des erstaunlich langen Zögerns aber letztlich nicht verhindern konnte. Für Freitag war dann eigentlich ein Statement des Senderverbunds geplant - doch auch dazu kam es letztlich nicht.
"In 80 Frauen um die Welt"
Entzündet hatte sich die Debatte an Mischkes Buch "In 80 Frauen um die Welt" aus dem Jahr 2010, in dem er von einer Wette erzählt, derzufolge der namensgleiche Ich-Erzähler auf einer Weltreise mit 80 Frauen schlafen soll. Den Titel bezeichnete er später als Fehler, das Buch trotz seines misogynen Inhalts aber noch 2021 explizit nicht. In der Folge "Die Causa TTThilo Mischke" des Podcasts "Feminist Shelf Control" (Quellen-Sammlung) haben die Journalistinnen Annika Brockschmidt, Rebekka Endler sowie zahlreiche Mithelferinnen weitere sexistische Äußerungen Mischkes auch in jüngeren Jahren zusammengetragen.
Für zusätzliche Kritik an Mischke als "ttt"-Moderator sorgten etwa Aussagen, die Mischke vor fünf Jahren tätigte. In seinem Podcast verbreitete er damals die These, "die männliche Sexualität" basiere vielleicht auf "Vergewaltigung". Das sei, so Mischke, "etwas "Urmännliches".
Rückendeckung bekam Thilo Mischke zuletzt unterdessen vom Privatsender ProSieben, für den er seit Jahren Reportagen macht - darunter die schon 2012 ausgestrahlte Reihe "Unter fremden Decken - Auf der Suche nach dem besten Sex der Welt", aber in der jüngeren Vergangenheit eben auch die mit Preisen ausgezeichneten Filme "Rechts. Deutsch. Radikal.", "Verlassen und vergessen? Afghanistan im Griff der Taliban" oder "Deutsche an der ISIS"-Front. "Ihn nur an einem Buch aus der Damals-Zeit zu messen, ist ein sehr sehr selbstgerechter Ansatz, der viel über diejenigen aussagt, die genau das machen", schrieb ProSieben vier Jahre nach "Männerwelten" auf "X" und sprach von einer "wilden Jagd" auf Mischke.
Geholfen hat die Unterstützung aus Unterföhring letztlich offenkundig nicht. Die ARD steht nun wiederum vor der Aufgabe, erneut einen Nachfolger für den langjährigen "ttt"-Moderator Max Moor zu finden. 2025 soll die Sendung von Siham El-Maimouni präsentiert werden, die schon bislang im Wechsel mit Moor vor der Kamera stand. Was aus dem bereits angekündigten "ttt"-Podcast mit Mischke und Jule Lobo wird, bleibt indes unklar. Klar ist dagegen, dass sich die ARD in den vergangenen Tagen nicht mit Ruhm bekleckert hat. Zu allem Überfluss könnte die Trennung von Thilo Mischke dem Senderverbund teuer zu stehen kommen. Die Verträge mit dem Moderator seien wohl, so mutmaßt die "SZ", bereits geschlossen worden.