Je älter er wird, desto besser war er früher: Um Werbung für sein neues Buch zu machen, nutzte Thomas Gottschalk im Herbst jede Gelegenheit, um in alle Mikrofone noch einmal zu sagen, dass er heutzutage nichts mehr sagen könne - in Talkshows, bei Podcasts, auf Bühnen und im „Spiegel“-Interview. Ist das nicht übliche PR für eine Buchveröffentlichung? Leider nein, weil sich Gottschalk neben Senioren-Clickbait der Marke „Früher war alles besser“ auch dem gefährlichen Narrativ der vermeintlich eingeschränkten Meinungsfreiheit bedient.

Dabei verbietet niemand Gottschalk den Mund, aber Meinungsfreiheit ist kein Freifahrtsschein. Mit Kritik muss auch er rechnen - oder anders formuliert: Mit der Meinungsfreiheit der anderen. Ein Umstand, der leider oft verklärt wird. Früher fiel Gottschalk der Umgang mit Kritik leicht. Aber Einer, der über Jahrzehnte jünger und wilder blieb, als sein Alter es erwarten ließ, hat das Altern nun in Rekordzeit nachgeholt.

Dazu kommt eine melodramatische Selbstüberschätzung. Dass das ZDF ihm nicht einmal eine Show zum Abschied spendiert hätte - sagt der Mann, dem bei "Wetten, dass..?" schon mehrfach die ganz große Abschiedsbühne gewährt wurde und der auch weiterhin regelmäßig bei RTL in einer Samstagabend-Show zu sehen ist. Ein Mann mit in Deutschland beinahe beispielloser Eloquenz hat bedauerlcherweise seine Coolness verloren. Etwas, was Gottschalk selbst früher furchtbar gefunden hätte.

Das Ergebnis der einwöchigen Abstimmung über den Super-Günter für die Peinlichkeit des Medienjahres fiel dabei in diesem Jahr so eindeutig aus wie selten zuvor: Mit stolzen 39,3 Prozent der abgegebenen Stimmen haben die Leserinnen und Leser des Medienmagazins DWDL.de Thomas Gottschalks Selbstmitleid gewählt. 23,8 Prozent der Stimmen gingen an das ZDF und den vorzeitigen Übertragungsabbruch des 3x3-Basketballs bei den Olympischen Spielen im Sommer. Auf Platz 3 landete mit 7,8 Prozent das „EM Studio“ von RTL parallel zum Deutschland-Viertelfinale gegen Spanien. Alle zur Abstimmung gestellten Peinlichkeiten können Sie hier noch einmal nachlesen

Thomas Gottschalks Selbstmitleid folgt auf das Wendler-Projekt von RTLzwei und EndemolShine Germany, welches 2023 von den DWDL.de-Leserinnen und Lesern zur medialen Peinlichkeit des Jahres gekürt wurde. 2022 gewann das Chaos an der RBB-Spitze rund um die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger, 2021 erhielt der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner die zweifelhafte Auszeichnung. Alle bisherigen Preisträger des Super-Günter, dem Negativ-Preis des Medienmagazins DWDL.de, der erstmals 2008 vergeben wurde, sind hier nachzulesen.