Als die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Ende Oktober die Reformen für die Öffentlich-Rechtlichen beschlossen hatten, schoben sie die Frage zum Rundfunkbeitrag und zum künftigen Finanzierungsmechanismus zwar auf, dennoch gab es schon damals erste optimistische Töne. Man sei in der Frage zu einem Finanzierungsmechanismus nah an einer Lösung, erklärte Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, damals. Nach Wochen und Monaten mit öffentlichen Statements, in denen vor allem rote Linien gezogen wurden, klang das tatsächlich nach Fortschritt. Nun ist es geschafft: Die 16 Bundesländer haben sich in der Rundfunkkommission nach DWDL.de-Informationen auf eine Reform des Beitragsfestsetzungsverfahrens geeinigt. 

Die Politik setzt an der dritten Stufe des KEF-Verfahrens an. Das heißt: Bedarfsanmeldung durch die Öffentlich-Rechtlichen und Überprüfung durch die KEF bleiben unangetastet. Änderungen gibt es bei der eigentlichen Festsetzung: Statt einer erforderlichen Zustimmung von allen 16 Landesparlamenten führt man ein gestaffeltes Widerspruchsmodell ein. Das bestätigt Heike Raab (SPD), Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. 

Das neue Modell sieht so aus: Empfiehlt die KEF eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um fünf Prozent oder weniger, geht diese Empfehlung in Recht und Gesetz über - sofern die Bundesländer keinen Widerspruch einlegen. Dabei gibt es, je nach Höhe der Empfehlung, unterschiedliche Hürden.

  • Liegt die empfohlene Erhöhung zwischen 0 und 2 Prozent, müssen 3 Länder widersprechen
  • Liegt die empfohlene Erhöhung zwischen 2 und 3,5 Prozent, müssen 2 Länder widersprechen
  • Liegt die empfohlene Erhöhung zwischen 3,5 und 5 Prozent, muss 1 Land widersprechen
  • Liegt die empfohlene Erhöhung über 5 Prozent, ist in jedem Fall eine staatsvertragliche Festsetzung erforderlich (aktuelles Verfahren)

Die aktuelle KEF-Empfehlung zur Anhebung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent (auf dann 18,94 Euro monatlich) sind 0,8 Prozent Steigerung pro Jahr, also 3,2 Prozent für die gesamte Beitragsperiode. Nach dem neuen Modell hätten also zwei Länder widersprechen müssen, wenn sie die Erhöhung vorläufig hätten blockieren wollen.

Sollte der Fall eintreten, dass genügend Bundesländer der KEF-Empfehlung widersprechen, kommt es allerdings zu der etwas kuriosen Situation, dass dann wieder das aktuelle KEF-Verfahren greift. Heißt: Alle 16 Landesparlamente müssen zustimmen. Davon wäre freilich nicht auszugehen, wenn es schon aktiven Widerspruch gibt. Dann wäre wohl ein Gang der Öffentlich-Rechtlichen vor das Bundesverfassungsgericht sehr wahrscheinlich. Das klingt auf den ersten Blick nach keiner sonderlich attraktiven Möglichkeit für die Bundesländer, künftige Erhöhungen vorläufig zu blockieren. Liegt die KEF-Empfehlung zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags bei mehr als 5 Prozent, greift ebenfalls das aktuelle KEF-Verfahren - eine solche, vergleichsweise kräftige Anhebung hat es in den letzten 24 Jahren aber erst einmal gegeben. 

"Vereinfachtes und rechtssicheres Verfahren"

Heike Raab © Staatskanzlei RLP/ Unger Heike Raab
Heike Raab spricht gegenüber DWDL.de von einem "vereinfachten und rechtssicheren Verfahren". Das gestaffelte Widerspruchsmodell ermögliche die Vereinfachung der Umsetzung der KEF-Empfehlung ohne einen weiteren Rechtsakt, so die Koordinatorin der Rundfunkkommission. "Diese Widerspruchslösung bedeutet außerdem, dass wir mehrere Ziele gleichermaßen erreichen können", sagt sie und verweist unter anderem darauf, dass die Parlamente nach wie vor eine große und wichtige Rolle bei der künftigen Beitragsfestsetzung haben.

Und trotzdem will man durch das neue Modell höhere Hürden einziehen, damit künftige KEF-Empfehlungen nicht mehr so einfach wie bislang blockiert werden können. Es ist eben etwas anderes, sich auf Länderebene in einer Koalition erst einmal auf einen Widerspruch zu einigen - oder einfach den Tagesordnungspunkt zur künftigen Höhe des Rundfunkbeitrags nicht zur Abstimmung zu stellen bzw. sich gar nicht damit zu befassen - so geschehen 2020 in Sachsen-Anhalt. Damals setzten die Öffentlich-Rechtlichen die Beitragserhöhung vor dem Bundesverfassungsgericht durch - und auch heute noch tut sich insbesondere Sachsen-Anhalt immer wieder als destruktives Land hervor, dass oft gegen, aber nur selten für etwas ist. Insofern ist es schon eine positive Überraschung, dass sich die 16 Länder jetzt auf eine Reform des Finanzierungsmechanismus einigen konnten. 

Wer Widerspruch einlegt, steht vor bekannten Problemen

Wie sich das neue Modell letztlich bewähren wird, muss sich natürlich erst noch zeigen, wenn es in Kraft ist. Die relativ niedrigen Schwellen machen Widersprüche möglich, allerdings stünde der Länderverbund bei einem erfolgreichen Widerspruch vor den Problemen, die man heute schon hat. Von daher wird man sich Widersprüche möglicherweise zweimal überlegen. "Es sind relativ niedrige Quoren und ich persönlich hätte mir höhere gewünscht. Aber jetzt haben wir uns darauf geeinigt, das Modell so den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten im Dezember vorzulegen", sagt Heike Raab gegenüber DWDL.de. 

"Was wir erreichen wollten ist, dass das Verfahren rechtssicher vereinfacht wird. Und dass wir eine unabhängige Finanzierung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekommen. Wenn er zum politischen Spielball wird, gefährdet das seine Unabhängigkeit. Deshalb macht ein anderes Verfahren auch unter dem Gesichtspunkt der Resilienz großen Sinn", sagt Heike Raab. Nach der Einigung in der Rundfunkkommission arbeitet man jetzt an einem entsprechenden Beschlussvorschlag, der den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vorgelegt wird. Diese sollen dem neuen Modell auf ihrer nächsten Sitzung am 12. Dezember zustimmen. 

"Es sind relativ niedrige Quoren und ich persönlich hätte mir höhere gewünscht. Aber jetzt haben wir uns darauf geeinigt, das Modell so den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten im Dezember vorzulegen."
Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission


Dass sich die Medienpolitikerinnen und Medienpolitiker in der Rundfunkkommission auf ein neues Finanzierungsverfahren geeinigt haben, ist auch im Hinblick auf die angekündigte Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF bemerkenswert. Die Anstalten hatten angekündigt, nach Karlsruhe zu gehen, um die KEF-Empfehlung zur Beitragserhöhung zum 1. Januar 2025 durchzusetzen (DWDL.de berichtete). Ihre Verfassungsbeschwerde machten sie am vergangenen Dienstag öffentlich, die Rundfunkkommission einigte sich nur einen Tag später auf eine Reform des Finanzierungsverfahrens. In der Zwischenzeit hatten Medienpolitiker ARD und ZDF für ihren Schritt kritisiert. Florian Herrmann (CSU), Bayerns Medienminister und Staatskanzleichef, erweckte sogar den Eindruck, dass nun die gesamte Finanzierungsreform scheitern könnte

Verfassungsbeschwerde einen Tag vor entscheidender Sitzung

"Im Lichte der Einreichung der Verfassungsbeschwerde ist es durchaus bemerkenswert, dass die Länder jetzt diese Entscheidung gefällt haben und den Weg bis Dezember weitergehen. Bevor wir uns geeinigt haben, wurde lange über die Verfassungsbeschwerden diskutiert", erklärt Heike Raab gegenüber DWDL.de. Für die Länder sei die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aber ebenso wichtig wie die bereits beschlossenen Reformen, das würden die nun vereinbarten Schritte zeigen. "Wir Länder machen damit auch deutlich, dass wir in dieser in Unordnung geratenen Republik in der Lage sind, klare Entscheidungen zu treffen für Medien, die eine wichtige Säule in der Demokratie sind." 

Dennoch zeigt sich auch Raab - wie andere Länder-Vertreter - irritiert über den Zeitpunkt der Verfassungsbeschwerde. Möglich wäre es ja auch gewesen, zumindest die nächste Ministerpräsidentenkonferenz am 12. Dezember abzuwarten. Dann hätte man sich hinter das neue Finanzierungsmodell stellen und trotzdem Verfassungsbeschwerde einreichen können - weil das neue Modell eben noch nicht direkt zum Jahreswechsel greifen wird. "Das haben die Länder sehr bedauert, weil es nicht zu einer Verbesserung der Gesprächsgrundlage beigetragen hat", sagt Raab über den Zeitpunkt der Verfassungsbeschwerde.